Die extreme Rechte in Essen – 2011

Ab sofort steht unser aktueller Jahresbericht über die Aktivitäten und Entwicklungen der extremen Rechten in Essen zum Download bereit. Wie schon in den Vorjahren behandeln wir auch dieses Mal wieder die extrem rechten Parteien pro NRW, NPD und Die Republikaner sowie die parteiunabhängige Kameradschaftsszene. Darüber hinaus informieren wir über das rechte Bekleidungsgeschäft Oseberg sowie über die Aktivitäten ultrarechter türkischer Nationalisten.

Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2011

Ältere Jahresberichte:
Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2010
Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2009
Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2008

Vorwort

Nach dem Bekanntwerden der bundesweiten Mordserie, für die die neonazistische Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund verantwortlich gemacht wird, ist das öffentliche Interesse an den Strukturen der extremen Rechten in den letzten Monaten des vergangenen Jahres sprunghaft angestiegen.

Zumindest auf lokaler Ebene mag diese Broschüre dazu beitragen, über die  Aktivitäten der rechten Szene aufzuklären. Wie in den Vorjahren beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe wieder mit den extrem rechten Parteien NPD, pro NRW und Die Republikaner sowie mit der parteiunabhängigen Kameradschaftsszene. Zum ersten Mal befassen wir uns daneben aber auch mit den Aktivitäten ultrarechter türkischer Nationalisten.

Um eine umfassende Dokumentation über rechte Strukturen und Aktivitäten erarbeiten zu können, sind wir auf Informationen von außen angewiesen. Wir freuen uns daher stets über Hinweise und Ergänzungen, die gerne an unsere E-Mailadresse geschickt werden können!

Antifa Essen Z

(Januar 2012)

Die Republikaner

Die 1983 als Rechtsabspaltung der CSU gegründeten Republikaner hatten ihre größten Wahlerfolge Ende der 80er Jahre im Zusammenhang mit der über weite Teile von rassistischen und rechtspopulistischen Positionen geprägten Debatte um Zuwanderung und „Asylmissbrauch“. Nach der so genannten Wiedervereinigung Deutschlands trug die Partei maßgeblich dazu bei, klassische Positionen der extremen Rechten in die Mitte der deutschen Politiklandschaft zu tragen. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu punktueller Zusammenarbeit zwischen NPD und den Republikanern (1).

Die Republikaner verfügen in Nordrhein-Westfalen bereits seit mehreren Jahren kaum noch über handlungsfähige Strukturen. Zusätzlich belastet wurde der Landesverband im vergangenen Jahr durch massive innerparteiliche Auseinandersetzungen um das Verhältnis zur rechtspopulistischen Bürgerbewegung pro NRW.  Die langjährige Landesvorsitzende Ursula W., die sich vehement gegen eine Zusammenarbeit mit pro NRW ausgesprochen hatte, erklärte im Juni ihren Austritt aus der Partei (2).

In Essen sind die Republikaner seit 1999 im Stadtrat vertreten. Bei der letzten Kommunalwahl im Sommer 2009 verlor die rechte Partei mehr als die Hälfte ihrer Wählerstimmen und ist seither nur noch mit einem statt wie bisher mit zwei Abgeordneten im Rat vertreten. Das Mandat wird von dem neunundfünfzigjährigen Günter W. wahrgenommen, der die Republikaner bereits seit 1999 im Stadtrat vertritt. Auch in den Bezirksvertretungen verlor die Partei deutlich und konnte ihren Sitz lediglich in der Bezirksvertretung VI (Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg) halten.

Wie schon im Vorjahr ist es auch 2011 in Essen zu keinerlei öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten der Republikaner gekommen. Die Internetpräsenz des Kreisverbands existiert zwar weiterhin, wurde jedoch bereits seit mehreren Jahren nicht mehr aktualisiert.

Bürgerbewegung pro NRW

Im Februar 2007 wurde von mehreren lokalen Ablegern der rechten Bürger-bewegung pro Köln, die bereits seit 2002 unter Beobachtung des nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzes steht (3), die Bürgerbewegung pro NRW gegründet. Ihren lokalen Schwerpunkt hat pro NRW aber weiterhin in der Region um Köln.

Der Essener Kreisverband der rechten „Bürgerbewegung“ wurde im Sommer 2008 gegründet. Ihre mehrfach öffentlich angekündigte Teilnahme an der Kommunalwahl im Herbst 2009 sagte sie jedoch kurzfristig ab.

Sowohl der designierte Oberbürgermeisterkandidat Uwe B. als auch der Kreisverbandsvorsitzende Bernd W. zogen sich daraufhin aus der Partei zurück. Im November 2009 initiierte der Landesverband eine Mitgliederversammlung, um den Essener Kreisverband wiederzubeleben. Zum neuen Kreisverbandsvorsitzenden wurde der heute achtunddreißigjährige Frank B. gewählt. Auch unter dem neu gewählten Vorstand entwickelte der Kreisverband jedoch kaum eigenständige Aktivitäten. Im September 2010 kündigte der Regionalverband Ruhrgebiet abermals eine Neuwahl des Essener Kreisvorstands an. Diese Ankündigung wurde im Februar 2011 noch einmal konkretisiert: „Spätestens im März“ solle „ein neuer Kreisvorstand gewählt werden“ (4). Ob pro NRW in Essen mittlerweile tatsächlich über einen neuen Vorstand verfügt, ist völlig unklar. Die Partei veröffentlichte keine weiteren Mitteilungen zu dieser Frage.

Während die rechtspopulistische „Bür-gerbewegung“ im Vorfeld der Landtagswahl 2010 in Essen noch eine öffentliche Kundgebung abhielt und durch zahlreiche Werbeplakate im gesamten Stadtgebiet präsent war, kam es im Jahr 2011 zu keinerlei wahrnehmbaren Aktivitäten. Ein handlungsfähiger Kreisverband existiert zurzeit offenbar nicht. Als Ansprechpartner für Essen wird auf der Internetseite von pro NRW weiterhin der Gelsenkirchener Ratsherr Christian S. angegeben.

Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Junge Nationaldemokraten (JN)

Die 1964 gegründete NPD ist heute nicht nur die älteste, sondern auch die erfolgreichste neofaschistische Partei in der Bundesrepublik. Sie vertritt offen rassistische und antisemitische Positionen und bezieht sich verherrlichend auf den historischen Nationalsozialismus (5).

In den Jahren 2000 und 2001 führte die NPD in Essen Aufmärsche mit  550 beziehungsweise 250 Teilnehmern durch, die bundesweit das Interesse der Medien auf sich zogen. Zudem fand bis 2002 alle zwei Jahre der Landesparteitag der „Nationaldemokraten“ in Essen statt.

Die folgenden Jahre waren durch weitgehende Inaktivität des Essener Kreisverbands gekennzeichnet. Bei den Kommunalwahlen 2004 kandidierte die NPD erfolglos für zwei Bezirksvertretungen. Der überalterte Essener Kreisverband um den damaligen Vorsitzenden Bernd K. entwickelte keine eigenständigen Aktivitäten.

Seit 2007 ist es der Essener NPD gelungen, eine große Zahl an jungen, aktionistisch ausgerichteten Neonazis an sich zu binden. Die öffentlichen Aktivitäten der Partei nahmen seither sprunghaft zu. Bei der Kommunalwahl 2009 stellte die NPD erstmals auch Kandidaten für den Essener Stadtrat auf. Mit 0,8 Prozent der Stimmen konnte sie dabei ein Mandat für sich gewinnen und wird seither im Kommunalparlament durch ihren Kreisverbandsvorsitzenden, den heute achtundzwanzigjährigen Marcel H., vertreten.

Der Essener Kreisverband der NPD betreibt eine regelmäßig aktualisierte Homepage sowie ein twitter-Profil und ist zudem in den virtuellen Netzwerken google+ und Facebook vertreten.

Aktivitäten im Stadtrat

Im vergangenen Jahr richtete die NPD durch ihren Vertreter im Stadtrat mehrere Anfragen an den Oberbürgermeister der Stadt Essen. Darin wurden unter anderem die Themen „Ausländerkrimi-nalität“, Islamkundeunterricht an Schulen und „Linksextremismus“ behandelt.

Öffentliche Auftritte

Ähnlich wie in den Vorjahren veranstaltete die NPD auch 2011 wieder eine Vielzahl kleinerer Kundgebungen in mehreren Stadtteilen, vornehmlich im Essener Norden. Der Kreisverbandsvorsitzende Marcel H. trat dabei stets als Anmelder und Redner in Erscheinung. Bei den Versammlungsteilnehmern handelte es sich größtenteils um Mitglieder und gefestigte Sympathisanten der NPD aus Essen und den umliegenden Ruhrgebietsstädten.

Am 26. Februar organisierte die aus mehreren NPD-Kreisverbänden bestehende „Nationale Ruhrachse“ einen gemeinsamen „Aktionstag“, in dessen Rahmen Kundgebungen in Dortmund, Bochum und Essen stattfanden. An der Veranstaltung im Essener Stadtteil Steele, die unter dem Motto „Millionen Fremde kosten uns Milliarden“ stand, beteiligten sich etwa 30 Neonazis.

Anlässlich einer Demonstration des antifaschistischen Bündnisses „Essen stellt sich quer“ im Stadtteil Borbeck organisierte die NPD am 23. Juli eine Kundgebung unter dem Motto „Linksextreme Gewalt stoppen. Kriminelle Antifabanden verbieten!“. Rund 50 Anhänger der neofaschistischen Partei nahmen an der Veranstaltung teil.

Im Rahmen eines bundesweiten „Aktionstags“ der NPD unter dem Motto „Raus aus dem Euro – Nein zur EU-Diktatur!“ veranstaltete der Essener Kreisverband am 22. Oktober eine Kundgebung im Stadtteil Frintrop. Es beteiligten sich rund 20 Neonazis.

Wie schon 2009 und 2010 veranstaltete die NPD auch im vergangenen Jahr am 9. November eine Kundgebung „im Gedenken an die Mauertoten“. Rund 40 Neonazis, teilweise mit brennenden Fackeln ausgestattet, konnte die Partei damit am Jahrestag der Reichspogromnacht in die Essener Innenstadt mobilisieren.

Am 23. Dezember hielten Anhänger  der NPD eine Mahnwache in Essen-Borbeck ab, bei der sie die „Höchststrafe für Kinderschänder“ forderten. Anlass war die gerichtliche Verurteilung eines in Borbeck wohnhaften Sexualstraftäters.

Junge Nationaldemokraten

Die ohnehin eher instabilen Strukturen der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sind im Zuge des in den letzten Jahren vollzogenen Generationenwechsels im Essener Kreisverband weitgehend in der Mutterpartei aufgegangen. Im vergangenen Jahr trat die JN in Essen erstmals wieder als eigenständige Organisation öffentlich in Erscheinung. Seit März 2011 verfügt die Essener JN über eine eigene Präsenz auf der Internetplattform Facebook (6). Mitte April wurde dort bekanntgegeben, dass der Vorstand der NPD-Nachwuchsorganisa-tion künftig durch Lars H. und Tristan K. gebildet wird. Beide sind bereits seit längerer Zeit im Umfeld der Essener NPD aktiv. Am 18. Juni veranstaltete die JN unter dem Motto „Deutschland muss leben“ eine Kundgebung im Stadtteil Altenessen. Als Versammlungsleiter trat der neu gewählte Vorsitzende Tristan K. auf. Es beteiligten sich etwa 40 Personen aus dem Umfeld der NPD. Darüber hinaus kam es allerdings zu keinen eigenständigen Aktivitäten der JN. Ihre Facebook-Seite wurde seit August nicht mehr aktualisiert.

Vernetzungsbestrebungen

Die unter der Bezeichnung „Nationale Ruhrachse“ forcierte Zusammenarbeit zwischen den NPD-Verbänden in Essen, Bochum und Dortmund wurde auch im vergangenen Jahr fortgeführt. Das zu Beginn des Jahres angekündigte Vorhaben, mindestens einmal im Quartal eine gemeinsame Aktion durchführen zu wollen, konnte aber offenbar nicht realisiert werden. Zu einem gemeinsamen öffentlich wahrnehmbaren Auftritt kam es lediglich im Rahmen des „Aktionstags“ Ende Februar. Dennoch ist zu konstatieren, dass zwischen den regionalen NPD-Gruppen offenbar ausgeprägte Kontakte bestehen. So wurden die Kundgebungen des Essener Kreisverbands auch 2011 wieder von Funktionären und Anhängern der Partei aus den umliegenden Städten unterstützt.

Verhältnis zur Kameradschaftsszene

Nach wie vor existieren intensive Kontakte und zum Teil auch personelle Überschneidungen zwischen der Essener NPD und den parteiunabhängigen Kameradschaftsstrukturen. So beteiligten sich an den Veranstaltungen der „National-demokraten“ regelmäßig auch Mitglieder der Nationalen Sozialisten aus Essen sowie der neu gegründeten Division Altenessen (s. U.).

Kameradschaftsszene

Im Gegensatz zur NPD und anderen neofaschistischen Parteien handelt es sich bei den so genannten Kameradschaften nicht um juristisch definierte Organisationen mit offiziellen Statuten und Mitgliedsregistern. Nichtsdestotrotz sind die neonazistischen Kameradschaften in aller Regel hierarchisch organisiert und werden nach außen hin von einzelnen Führungskadern vertreten. Sie bekennen sich meist offen zur nationalsozialistischen Ideologie und versuchen sich durch Auftreten, Ästhetik und Aktionsformen in die Tradition der historischen SA der NSDAP zu stellen.

Mit der Aktionsgruppe Essen existierte bis 2009 eine relativ stabile lokale Kameradschaftsstruktur, deren Aktivitäten sich durch sporadische Flugblattverteilungen, Teilnahme an neonazistischen Aufmärschen und Vernetzungsbestrebungen mit anderen rechten Gruppierungen aus der Region auszeichneten. Vorgängerorganisationen dieser Gruppe wurden bereits 2003 gegründet, sodass innerhalb der Essener Kameradschaftsstrukturen eine gewisse personelle Kontinuität bestand.

Nachdem die neonazistische Aktionsgruppe ihre Aktivitäten Mitte 2009 vollständig eingestellt hatte, gründeten sich in den letzten Jahren immer wieder sehr kurzlebige Gruppierungen, die in der Regel eine große Nähe zur NPD aufweisen und kaum eigenständige Aktivitäten entfalten.

Nationale Sozialisten aus Essen

Bereits Ende 2010 trat auf regionalen Neonazidemonstrationen eine Gruppe unter der Selbstbezeichnung Nationale Sozialisten aus Essen auf, die weitgehende personelle Überschneidungen mit der 2008 gegründeten Gruppe Nationaler Widerstand Borbeck aufwies. Beide Gruppen wurden maßgeblich von jungen NPD-Anhängern um den heute achtzehnjährigen Miguel B. getragen. Die Nationalen Sozialisten aus Essen betreiben eine Website, auf der in den ersten Monaten des vergangenen Jahres mehrmals über Flugblattaktionen der Gruppe berichtet wurde (7). Gute Kontakte pflegen die Nationalen Sozialisten aus Essen insbesondere zur Essener NPD sowie zur neonazistischen Szene in Wuppertal.

Am 3. Juli fand in Essen-Borbeck eine Spontandemonstration „gegen linke Gewalt“ statt, die maßgeblich von den parteiunabhängigen Neonazi-Gruppie-rungen Nationale Sozialisten aus Essen und Nationale Sozialisten Wuppertal organisiert und getragen wurde. Es beteiligten sich etwa 20 Personen. Seither sind keine weiteren öffentlichen Aktivitäten der Nationalen Sozialisten aus Essen bekannt geworden. Seit Mai 2011 wurde auch die Internetseite der Gruppe nicht mehr aktualisiert. Ihre Mitglieder beteiligen sich jedoch weiterhin an Kundgebungen und Aufmärschen in der Region.

Division Altenessen

Mit der Division Altenessen trat im Sommer 2011 eine weitere parteiunabhängige Neonazi-Gruppie-rung erstmals öffentlich in Erscheinung. Mitglieder der Gruppe beteiligten sich unter anderem an Kundgebungen der Essener NPD sowie an einem neonazistischen Großaufmarsch Anfang September in Dortmund. Obgleich personelle Überschneidungen zwischen den Nationalen Sozialisten aus Essen und der Division Altenessen bestehen, verfügt letztere offenbar über ein weitaus größeres politisches Umfeld. Sie tritt in der Öffentlichkeit mit bis zu 20 Personen auf, wobei sich ihre Anhänger durch T-Shirts mit aufgedrucktem Gruppenlogo zu erkennen geben. Die Division Altenessen betreibt eine eigene Website, die jedoch kaum selbstverfasste Beiträge beinhaltet und zudem seit Anfang August nicht mehr aktualisiert wurde (8).

Partei der Nationalistischen Bewegung (Graue Wölfe)

Die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) wurde 1969 in der Türkei gegründet. In Deutschland hat sich die extrem rechte Bewegung, die auch unter der Bezeichnung Graue Wölfe bekannt ist, in so genannten „Kultur- und Idealistenvereinen“ organisiert. Die Bewegung richtet sich in aggressiver Weise gegen Kurden, Juden, Homosexuelle und andere Minderheiten sowie gegen die politische Linke und gilt als gewaltbereit (9). In der Vergangenheit kam es wiederholt zu Annäherungsversuchen zwischen MHP und der deutschen NPD (10) (11).

Im vergangenen Jahr waren in Essen mehrere Aktivitäten der Grauen Wölfe zu verzeichnen. Am 25. September beteiligten sich etwa 200 ihrer Anhänger an einer „Friedensdemonstration gegen den Terror in der Türkei“ in der Essener Innenstadt. Aktueller Anlass war ein Terroranschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara, für den die kurdische Arbeiterpartei PKK verantwortlich gemacht wurde. Am Rande der Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern der rechten „Friedensde-monstration“ und linken Gegendemonstranten.

Am 19. November nahmen mehrere tausend Anhänger der ultrarechten Bewegung am „Großen Kongress“ der Föderation der Demokratischen Türkischen Idealistenvereine in Deutschland in der Essener Grugahalle teil. Bereits seit 1996 fanden dort immer wieder Großveranstaltungen der Grauen Wölfe statt. Die Bewegung verfügte darüber hinaus schon in den 1990er Jahren über eine feste Verankerung im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Universität Essen sowie im Integrationsbeirat der Stadt.

Bekleidungsgeschäft Oseberg

Seit April 2009 existiert in der Essener Innenstadt das Bekleidungsgeschäft Oseberg. Es handelt sich dabei um eine Filiale der brandenburgischen MediaTex GmbH, die für die Produktion und den Vertrieb der rechten Modemarke Thor Steinar verantwortlich ist.

Thor Steinar

Die MediaTex GmbH und das Bekleidungslabel Thor Steinar wurden 2002/2003 von den Jungunternehmern Axel K. und Uwe M. aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen ins Leben gerufen. Mehreren Verantwortlichen der Firma konnten in der Vergangenheit Verbindungen zur rechten Szene nachgewiesen werden (12).

Große Teile der Kollektion der Marke Thor Steinar nehmen durch Schriftzüge und Symbolik Bezug auf Hooligankultur, Wehrmacht und Nationalsozialismus,  deutsche Kolonialgeschichte oder neoheidnischen Germanenkult. Die Marke erfreut sich daher unter Neonazis und rechten Hooligans großer Beliebtheit (13).

Oseberg

Bei dem 2009 eröffneten Oseberg handelt es sich um eine von zurzeit insgesamt zwölf Verkaufsfilialen der MediaTex GmbH. Nach der Eröffnung kam es zu mehreren Demonstrationen und Protestaktionen gegen das Geschäft.  Zudem beschädigten Unbekannte immer wieder die Schaufensterscheiben des Oseberg.

Nach wie vor sind keine Hinweise darauf bekannt, dass Verbindungen zwischen den Betreibern des Oseberg und der lokalen Neonaziszene bestehen.

Fazit und Perspektiven

Der sich bereits in den Vorjahren abzeichnende Niedergang der rechten Parteien pro NRW und Die Republikaner hat sich 2011 weiter fortgesetzt. Keine der beiden Parteien verfügt zurzeit in Essen über handlungsfähige Strukturen. Auf lokaler Ebene sind im vergangenen Jahr keinerlei öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten bekannt geworden. Es ist davon auszugehen, dass sich an diesem Umstand in absehbarer Zeit nichts ändern wird, da keine der beiden Parteien über eine ernstzunehmende personelle Basis verfügt. Darüber hinaus führten in den letzten Jahren zahlreiche Parteiaustritte und interne Streitigkeiten zu einer weiteren Schwächung der Strukturen.

Die Essener NPD zeigte sich dagegen auch im vergangenen Jahr wieder überaus aktiv. Der Kreisverband kann innerhalb weniger Tage bis zu 50 Anhänger für lokale Kundgebungen und Informationsstände mobilisieren. Über einen aktiven Mitgliederstamm, der sich größtenteils aus männlichen Jugendlichen zusammensetzt, verfügt die Partei insbesondere in den Stadtteilen des Essener Nordwestens. Die Neugründung eines JN-Stützpunktes kann insofern als Ergebnis der erfolgreichen Nachwuchsarbeit der NPD angesehen werden. Es ist allerdings bemerkenswert, dass von dieser neu geschaffenen Struktur kaum eigenständige Aktivitäten ausgehen. Die Kundgebung am 18. Juni in Essen-Altenessen wurde zwar nach außen hin als Veranstaltung der JN dargestellt, tatsächlich aber unterschied sich der Kreis der Organisatoren wie auch der Teilnehmer kaum von dem anderer NPD-Aktionen.

Der parteiunabhängigen Kameradschaftsszene ist es trotz eines neuerlichen Anlaufs auch im Jahr 2011 nicht gelungen, stabile Strukturen jenseits der NPD zu etablieren. Sowohl die Nationalen Sozialisten aus Essen als auch die Division Altenessen stellten ihre öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten im Laufe des vergangenen Jahres vollständig ein. Personelle Überschneidungen mit der NPD sowie die inhaltliche Nähe zu der neofaschistischen Partei führen regelmäßig zu einer Integration der Kameradschaftsstrukturen und ihrer Aktivisten durch die NPD.

Hinsichtlich der thematischen Ausrichtung neonazistischer Aktivitäten ließ sich im vergangenen Jahr eine verstärkte Konzentration auf die Agitation gegen die politische Linke konstatieren. Anlässlich von Veranstaltungen antifaschistischer Gruppen mobilisierten NPD und Kameradschaftsstrukturen mehrfach zu Gegenveranstaltungen. Ende August kam es am Rande einer antifaschistischen Vortragsveranstaltung in Essen-Borbeck zu einem Störversuch durch eine Gruppe von etwa zehn Neonazis. Darüber hinaus versuchte die NPD im Stadtrat eine Debatte über das Thema „Linksextremismus“ zu initiieren.

Insgesamt ist auch für die Zukunft damit zu rechnen, dass die NPD die lokale rechte Szene inhaltlich wie organisatorisch dominieren wird. Sie allein verfügt in Essen über stabile Strukturen und eine hinreichend große personelle Basis, die auch mittelfristig ein hohes Maß an Handlungsfähigkeit auf lokaler Ebene erwarten lässt.

Bislang von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet geblieben sind die Aktivitäten der Grauen Wölfe in Essen. Im vergangenen Jahr ist es anlässlich einer Großveranstaltung dieser extrem rechten Bewegung gelungen, eine breite öffentliche Debatte zu entfachen. Die Tatsache, dass sich in Essen über Jahre hinweg Strukturen der Grauen Wölfe etablieren konnten und der polizeiliche Staatsschutz eine Vermietung städtischer Räumlichkeiten an die ultrarechte Bewegung für unbedenklich erklärte (14), zeugt jedoch von einem höchst mangelhaften Problembewusstsein in weiten Teilen der Gesellschaft.

Das Bekanntwerden einer neonazistisch motivierten Mordserie hat Medien und Öffentlichkeit in den letzten Wochen des vergangenen Jahres verstärkt für die Aktivitäten der extremen Rechten sensibilisiert. Gleichwohl bleibt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen nach wie vor aus. Es scheint mittlerweile – auch auf lokaler Ebene – in weiten Teilen der politischen Debatte und der medialen Berichterstattung völlig selbstverständlich zu sein, sich nicht gegen „rechts“, sondern gegen „Extremis-mus“ zu positionieren. So forderte etwa der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) in einer Stellungnahme zu der Großveranstaltung der Grauen Wölfe in der Grugahalle, dass „extremistische Veranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen“ künftig nicht mehr stattfinden dürften (15).

Dieses Paradigma führt zwangsläufig zu einer Relativierung und Verharmlosung rechter Ideologie und Praxis und verhindert eine konsequente und zielführende Auseinandersetzung mit der Thematik. Es steht daher zu erwarten, dass die gesteigerte Sensibilität gegenüber den Aktivitäten der extremen Rechten auch in Essen wieder einmal nur von kurzer Dauer sein wird und nicht langfristig zu einem konsequenten Vorgehen gegen rechte Strukturen führt.

Umso wichtiger bleibt auch in Zukunft konsequente und kontinuierliche antifaschistische Arbeit, die sich nicht von den Konjunkturen des medialen Interesses abhängig macht und auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der extremen Rechten nicht scheut.

Quellenverzeichnis

(1) http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/die-republikaner-rep

(2) https://nrwrex.wordpress.com/2011/06/11/nrw-winkelsetts-generalabrechnung-mit-ihrer-ex-partei/

(3) http://www.im.nrw.de/sch/780.htm

(4) http://www.pro-nrw.net/?p=4136

(5) http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationaldemokratische-partei-deutschlands-npd

(6) https://www.facebook.com/pages/Junge-Nationaldemokraten-Essen/135649359839739

(7) http://nasoae.blogspot.com

(8) http://logr.org/divisionaltenessen/

(9) http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=DY3C90

(10) http://www.endstation-rechts-bayern.de/2011/10/nurnberg-aufmarsch-der-%E2%80%9Egrauen-wolfe%E2%80%9C/

(11) http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=880:j%C3%B6rg-krebs-npd-fordert-deutsch-t%C3%BCrkische-querfront&Itemid=387

(12) http://investigatethorsteinar.blogsport.de/images/investigate_thor_steinar_2_web.pdf

(13) ebd.

(14) http://www.derwesten.de/staedte/essen/streit-um-graue-woelfe-kongress-in-der-grugahalle-id6081500.html

(15) http://www.essen-stellt-sich-quer.de/index.php/Eq:EGraueWoelfe/ 2011#-_Antwort_dazu_von_Oberb.C3.BCrgermeister_Reinhard_Pa.C3.9F