Die extreme Rechte in Essen – 2012

In unserem aktuellen Jahresbericht über die extreme Rechte in Essen beschäftigen wir uns unter anderem mit den Aktivitäten der rechten Parteien im Landtagswahlkampf, der Eröffnung der NPD-Landeszentrale in Essen-Kray und der aktuellen Asylmissbrauchsdebatte. In einigen Wochen wird die Broschüre auch in gedruckter Form vorliegen.

Update: Die Broschüre liegt ab sofort in gedruckter Form unter anderem beim Antirassismus-Telefon und im AZ Mülheim zur kostenlosen Mitnahme aus.

Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2012

Ältere Jahresberichte:
Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2011
Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2010
Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2009
Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2008

Vorwort

Bereits zum fünften Mal veröffentlichen wir nun unseren Jahresbericht über die extreme Rechte in Essen. Auch in dieser Ausgabe liegt das Hauptaugenmerk wieder auf den Umtrieben der NPD, die nach wie vor der bestimmende Akteur der lokalen rechten Szene ist. Insbesondere im Vorfeld der vorgezogenen Landtagswahl zeigte sie sich im vergangenen Jahr wieder überaus aktiv. Durch die im Oktober bekannt gewordene Eröffnung einer neuen NPD-Landeszentrale im Essener Stadtteil Kray wurden die lokalen Strukturen der rechtsradikalen Partei weiter gestärkt. Pro NRW, Republikaner und parteiunabhängige Neonazis  entwickelten dagegen auch im vergangenen Jahr kaum eigenständige Aktivitäten.

Jenseits dieser offen rechtsradikalen Organisationen entstanden im Kontext der neuen Asylmissbrauchsdebatte in Essen verschiedene fremdenfeindliche Anwohnerinitiativen, über deren Aktivitäten wir in dieser Broschüre ebenfalls berichten.

Wie immer freuen wir uns über Lob und Kritik, vor allem aber auch über Ergänzungen und weitere Hinweise auf Aktivitäten und Akteure der rechten Szene.

Antifa Essen Z

(Januar 2013)

 

Die Republikaner

Die 1983 als Rechtsabspaltung der CSU gegründeten Republikaner hatten ihre größten Wahlerfolge Ende der 1980er Jahre im Zusammenhang mit der über weite Teile von rassistischen und rechtspopulistischen Positionen geprägten Debatte um Zuwanderung und „Asylmissbrauch“. Nach der so genannten Wiedervereinigung Deutschlands trug die Partei maßgeblich dazu bei, klassische Positionen der extremen Rechten in die Mitte der deutschen Politiklandschaft zu tragen. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu punktueller Zusammenarbeit zwischen NPD und den Republikanern.

Die Republikaner verfügen in Nordrhein-Westfalen bereits seit mehreren Jahren kaum noch über handlungsfähige Strukturen. Die geplante Teilnahme an der Landtagswahl im Mai 2012 scheiterte, weil es der Partei nicht gelungen war, die für eine Kandidatur erforderlichen 1.000 Unterstützerunterschriften zu sammeln. Zudem wurden im vergangenen Jahr immer wieder Gerüchte über Konflikte zwischen dem Bundesvorstand und dem nordrhein-westfälischen Landesverband laut (1).

In Essen sind die Republikaner seit 1999 im Stadtrat vertreten. Bei der letzten Kommunalwahl im Sommer 2009 verlor die rechte Partei mehr als die Hälfte ihrer Wählerstimmen und ist seither nur noch mit einem statt wie bisher mit zwei Abgeordneten im Rat vertreten. Das Mandat wird von dem sechzigjährigen Günter W. wahrgenommen, der die Republikaner bereits seit 1999 im Stadtrat vertritt. Auch in den Bezirksvertretungen verlor die Partei deutlich und konnte ihren Sitz lediglich in der Bezirksvertretung VI (Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg) halten.

Wie schon in den Vorjahren ist es auch 2012 kaum zu öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten der Essener Republikaner gekommen. Lediglich die Internetseite des Kreisverbands wurde nach Jahren völliger Inaktivität mittlerweile wieder aktualisiert. Die meisten dort veröffentlichten Artikel wurden jedoch von der Website des Landesverbands übernommen. In einem auf den 18.12.2012 datierten Beitrag berichten die Republikaner über eine Flugblattverteilung in Essen und kündigen an, entsprechende Aktionen in Zukunft wöchentlich durchzuführen (2). Seit November des vergangenen Jahres verfügt der Essener Kreisverband der rechten Partei über eine eigene Facebook-Seite, die jedoch nur sporadisch aktualisiert wird und fast ausschließlich Pressemitteilungen des Essener Polizeipräsidiums wiedergibt (3).

 

Bürgerbewegung pro NRW

Im Februar 2007 wurde von mehreren lokalen Ablegern der rechten Bürgerbewegung pro Köln die landesweite Bürgerbewegung pro NRW gegründet. Ihren Schwerpunkt hat pro NRW aber weiterhin in der Region um Köln.

Der Essener Kreisverband der rechten „Bürgerbewegung“ wurde im Sommer 2008 ins Leben gerufen. An der Kommunalwahl im Herbst 2009 nahm sie entgegen vorheriger Ankündigungen nicht teil. Im Vorfeld der Landtagswahl im Mai 2010 ließ pro NRW im gesamten Essener Stadtgebiet Wahlwerbeplakate anbringen. Zudem hielt die rechtspopulistische Partei im März 2010 eine Kundgebung vor einer Moschee im Essener Stadtteil Katernberg ab, an der sich rund 40 ihrer Anhänger beteiligten. Darüber hinaus kam es in den letzten Jahren in Essen zu keinen öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten der „Bürgerbewegung“. Das Außenbild des Kreisverbands wurde durch interne Verwerfungen und mehrmalige Neuwahlen des Kreisvorstands bestimmt.

Anlässlich der vorgezogenen Landtagswahl im Mai 2012 nahmen die Aktivitäten von pro NRW in Essen wieder spürbar zu. Die Partei präsentierte ihre politischen Forderungen abermals auf hunderten Plakaten im gesamten Stadtgebiet. Zudem führte sie am 28.04.2012 erneut eine Kundgebung gegen eine Moschee durch, diesmal im Stadtteil Kray. Es beteiligten sich rund 50 pro NRW-Anhänger, die mit einem von der Partei organisierten Reisebus aus verschiedenen Teilen des Landes zu der Veranstaltung gebracht worden waren. Unter den Teilnehmern befanden sich auch eine Vertreterin der Freiheitlichen Partei Österreichs sowie der ehemalige NPD-Funktionär Andreas M.

Im Vergleich mit der Landtagswahl 2010 konnte pro NRW bei der Landtagswahl 2012 in Essen einen geringfügigen Stimmenzuwachs verbuchen. 5.035 Essener gaben ihre Stimme der rechtspopulistischen Partei, was einem Anteil von 2,0 Prozent entspricht. 2010 waren es lediglich 4.088 beziehungsweise 1,6 Prozent gewesen. Am erfolgreichsten schnitt pro NRW in den Stadtteilen Karnap (3,9%), Bergeborbeck (3,8%) und Vogelheim (3,7%) ab (4). Mit einem Ergebnis von landesweit 1,5 Prozent scheiterte die „Bürgerbewegung“ jedoch klar an der Fünfprozenthürde.

Die Aktivitäten im Vorfeld der Landtagswahl können allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass pro NRW in Essen auch weiterhin nicht über funktionierende Parteistrukturen verfügt. Der Kreisverband entwickelte auch im vergangenen Jahr keinerlei eigenständige Aktivitäten. Auf der Website des Landesverbands ist nach wie vor der Gelsenkirchener Ratsherr Christian S. als Ansprechpartner für Essen angegeben (5).

 

NPD und JN

Die 1964 gegründete NPD ist heute nicht nur die älteste, sondern auch die erfolgreichste neofaschistische Partei in der Bundesrepublik. Sie vertritt offen rassistische und antisemitische Positionen und bezieht sich positiv auf den historischen Nationalsozialismus (6). Nachdem ein erstes Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahr 2003 gescheitert war, kündigten die Innenminister von Bund und Ländern  nun im Dezember 2012 an,  einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.

Wenngleich die NPD in Nordrhein-Westfalen auf Landesebene als bedeutungslos gelten kann, verfügt sie in einigen Städten und Regionen über funktionierende Parteistrukturen und einen aktiven Mitgliederstamm. Bei den letzten Kommunalwahlen im Oktober 2009 errang die neofaschistische Partei landesweit insgesamt 24 Mandate. Die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten liegen im Ruhrgebiet sowie im Raum Aachen.

In den Jahren 2000 und 2001 führte die NPD in Essen Aufmärsche mit  550 beziehungsweise 250 Teilnehmern durch, die bundesweit das Interesse der Medien auf sich zogen. Zudem fand bis 2002 alle zwei Jahre der Landesparteitag der „Nationaldemokraten“ in Essen statt.

Die folgenden Jahre waren durch weitgehende Inaktivität des Essener Kreisverbands gekennzeichnet. Bei der Kommunalwahl 2004 kandidierte die NPD erfolglos für zwei Bezirksvertretungen. Der überalterte Essener Kreisverband um den damaligen Vorsitzenden Bernd K. entwickelte keine eigenständigen Aktivitäten.

Seit 2007 ist es der Essener NPD gelungen, eine große Zahl an jungen, aktionistisch ausgerichteten Neonazis an sich zu binden. Die öffentlichen Aktivitäten der Partei nahmen seither sprunghaft zu. Bei der Kommunalwahl 2009 stellte die NPD erstmals auch Kandidaten für den Essener Stadtrat auf. Mit 0,8 Prozent der Stimmen konnte sie dabei ein Mandat für sich gewinnen und wird seither im Kommunalparlament durch ihren Kreisverbandsvorsitzenden, den heute neunundzwanzigjährigen Marcel H., vertreten.

Der Essener Kreisverband der NPD betreibt eine regelmäßig aktualisierte Homepage sowie ein twitter-Profil und ist zudem in den virtuellen Netzwerken google+ und Facebook vertreten.

Im Mai 2012 wurde Marcel H. auf der Jahreshauptversammlung der Essener NPD als Kreisverbandsvorsitzender bestätigt (7).

Aktivitäten im Stadtrat

Auch 2012 nahm NPD-Ratsherr Marcel H. regelmäßig an den Sitzungen des Kommunalparlaments teil und stellte mehrere Anfragen zu unterschiedlichen kommunalpolitischen Themen.

Öffentliche Auftritte

Wie bereits in den vergangenen Jahren führte die NPD auch 2012 wieder zahlreiche kleinere Kundgebungen und Infostände im gesamten Essener Stadtgebiet durch, zu denen in den meisten Fällen nur intern mobilisiert wurde. Diese Veranstaltungen häuften sich im Vorfeld der Landtagswahl im Mai, doch auch außerhalb des Wahlkampfs fanden diverse öffentliche Aktionen statt.

Am 12. März beteiligten sich etwa zehn NPD-Anhänger an einer Kundgebung unter dem Motto „Höchststrafe für Sexualstraftäter“ vor dem Landgericht in Essen-Holsterhausen. Anlass war die Urteilsverkündung gegen ein Gelsenkirchener Elternpaar, das seinen Sohn sexuell missbraucht hatte.

Unter dem Motto „Raus aus dem Euro“ führte die NPD am 21. April eine Kundgebung in der Essener Innenstadt durch, an der sich knapp 20 Neonazis beteiligten. Eine weitere NPD-Kundgebung in der Essener Innenstadt fand am 28. April statt.

Auf einer Wahlkampfkundgebung, die am 4. Mai in der Essener Innenstadt stattfand, trat unter anderem der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel als Redner auf. Rund zehn NPD-Aktivisten nahmen an der Veranstaltung teil.

Am 9. Juni fand in Essen-Frohnhausen eine NPD-Kundgebung gegen die Europäische Währungsunion statt, an der sich etwa zehn Anhänger der rechtsradikalen Partei beteiligten.

Eine weitere Versammlung meldete der NPD-Ratsherr Marcel H. für den 25. August in der Essener Innenstadt an. Allerdings orientierte sich diese Kundgebung thematisch an einem für den 1. September in Dortmund geplanten Aufmarsch der kurz zuvor verbotenen Neonazi-Gruppierung Nationaler Widerstand Dortmund. Bei den meisten der insgesamt rund 50 Teilnehmer handelte es sich dementsprechend um auswärtige Neonazis aus dem Spektrum der parteiunabhängigen Kameradschaftsszene. Aus den Reihen der Essener NPD erhielt die Kundgebung nur wenig Zulauf.

Am 19. Oktober veranstaltete die NPD im Stadtteil Frintrop eine Kundgebung gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der Sporthalle einer ehemaligen Hauptschule. Rund 20 Anhänger der rechtsradikalen Partei beteiligten sich an der Versammlung.

Bereits seit 2009 veranstaltet die Essener NPD am 9. November jährlich eine Kundgebung „im Gedenken an die Mauertoten“. Anders als in den Vorjahren untersagte die Polizei den Neonazis im vergangenen Jahr das Mitführen von Fackeln am Jahrestag der Reichspogromnacht. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte das Verbot, sodass sich die rund 60 NPD-Anhänger, die zu der Kundgebung nach Altenessen gekommen waren, mit dem Tragen von Fahnen und Transparenten begnügen mussten.

Neben diesen Versammlungen führte die Essener NPD im vergangenen Jahr etwa 15 kleinere Kundgebungen mit Informationsständen durch, an denen sich in der Regel drei bis sechs Parteimitglieder beteiligten. Ein Großteil dieser Veranstaltungen fand im Vorfeld der Landtagswahl im Mai statt.

Landtagswahl 2012

Bei der vorgezogenen Landtagswahl am 13. Mai konnte die NPD landesweit 39.993 Zweitstimmen für sich verbuchen, was einem Anteil von 0,5 Prozent entspricht. Zwei Jahre zuvor waren es noch 55.400 Stimmen beziehungsweise 0,7 Prozent gewesen.

Dieser Abwärtstrend lässt sich auch für die Stadt Essen konstatieren. Während die NPD in Essen bei der Landtagswahl 2010 noch 2.233 Wählerstimmen und damit ein Ergebnis von 0,9 Prozent erreicht hatte, entschieden sich am 13. Mai 2012 nur noch 1.774 beziehungsweise 0,7 Prozent der Essener Wähler für die rechtsradikale Partei (4).

Im Vorfeld der Landtagswahl führte die NPD insgesamt 14 Wahlkampfstände im gesamten Essener Stadtgebiet durch. Zudem warb sie in einigen Stadtteilen mit Plakaten für die Wahl.

Eröffnung der Landeszentrale

Im September 2012 wurde bekannt, dass die nordrhein-westfälische NPD ihre Landeszentrale in den Essener Stadtteil Kray verlegt hat. Zuvor hatte der Landesverband seinen Sitz jahrzehntelang in Bochum-Wattenscheid. Die neuen Räumlichkeiten in der Marienstraße 66a dienen der Partei unter anderem für interne Treffen und die landesweite Koordination ihrer politischen Arbeit. Zudem wird die Zentrale auch vom Essener Kreisverband genutzt. Die regelmäßigen Treffen der Essener NPD fanden seit Anfang 2012 in einer Gaststätte in unmittelbarer Nähe der Parteizentrale statt.

Verschiedenen Medienberichten zufolge befindet sich die Immobilie in der Marienstraße im Besitz des Vereins Bürgerbewegung pro Münster e.V., dem hochrangige Funktionäre der nordrhein-westfälischen NPD angehören sollen (8).

Im Umfeld der neu eröffneten Zentrale verteilten NPD-Anhänger in den letzten Monaten mehrmals Flugblätter der rechtsradikalen Partei.

Junge Nationaldemokraten

Die ohnehin eher instabilen Strukturen der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sind im Zuge des in den letzten Jahren vollzogenen Generationenwechsels im Essener Kreisverband weitgehend in der Mutterpartei aufgegangen. Die JN-Essen verfügt zwar weiterhin über eine eigene Facebook-Seite, die bis Oktober vergangenen Jahres auch regelmäßig aktualisiert wurde. Eigenständige Aktivitäten entwickelte die NPD-Jugendorganisation in Essen jedoch nicht. Die einzige Ausnahme stellte eine Kundgebung von rund 20 jungen NPD-Anhängern dar, die am 16. Februar unter dem Motto „Hier ist Deutschlands Jugend“ in Essen-Borbeck stattfand.

Verhältnis zur Kameradschaftsszene

Nach wie vor existieren intensive Kontakte und zum Teil auch personelle Überschneidungen zwischen der Essener NPD und den parteiunabhängigen Kameradschaftsstrukturen. Auch im vergangenen Jahr beteiligten sich wieder Mitglieder der Neonazi-Kameradschaft Division Altenessen (s. u.) und andere Vertreter der Essener Kameradschaftsszene an Kundgebungen der NPD und traten dort bisweilen auch als Redner auf. Auch die Tatsache, dass die Essener NPD gemeinsam mit Anhängern des parteiunabhängigen Nationalen Widerstands Dortmund eine Kundgebung in der Essener Innenstadt organisierte, zeugt von dem guten Verhältnis zwischen den beiden Spektren.

 

Kameradschaftsszene

Im Gegensatz zur NPD und anderen rechten Parteien handelt es sich bei den so genannten Kameradschaften nicht um juristisch definierte Organisationen mit offiziellen Statuten und Mitgliedsregistern. Dennoch sind die neonazistischen Kameradschaften in aller Regel hierarchisch organisiert und werden nach außen hin von einzelnen Führungskadern vertreten. Sie bekennen sich meist offen zur nationalsozialistischen Ideologie und versuchen sich durch Auftreten, Ästhetik und Aktionsformen in die Tradition der historischen SA der NSDAP zu stellen.

Mit der Aktionsgruppe Essen existierte bis 2009 eine relativ stabile lokale Kameradschaftsstruktur, deren Aktivitäten sich durch sporadische Flugblattverteilungen, Teilnahme an neonazistischen Aufmärschen und Vernetzungsbestrebungen mit anderen rechten Gruppierungen aus der Region auszeichneten. Vorgängerorganisationen dieser Gruppe wurden bereits 2003 gegründet, sodass innerhalb der Essener Kameradschaftsstrukturen eine gewisse personelle Kontinuität bestand.

Nachdem die neonazistische Aktionsgruppe ihre Aktivitäten Mitte 2009 vollständig eingestellt hatte, gründeten sich in den letzten Jahren immer wieder sehr kurzlebige Gruppierungen wie etwa der Nationale Widerstand Borbeck oder die Nationalen Sozialisten aus Essen, die in der Regel eine große Nähe zur NPD aufwiesen und kaum eigenständige Aktivitäten entfalteten.

Aktuelle Entwicklungen

Am 27. Februar 2012 reihten sich etwa 20 schwarz gekleidete und maskierte Neonazis mit einem Transparent auf dem Karnevalsumzug in Essen- Rüttenscheid ein und verteilten Flugblätter an die Passanten, auf denen für eine von ostdeutschen Neonazi-Kameradschaften initiierte Kampagne geworben wurde.

Am 23. August sprach der nordrheinwestfälische Innenminister Ralf Jäger ein Verbot gegen drei neonazistische Kameradschaften aus und ließ den Mitgliedern der betreffenden Organisationen Verbotsverfügungen zustellen. Im Zuge dessen suchten Polizeibeamte auch die in Essen-Dellwig wohnende Neonazi-Aktivistin Jennifer K. auf, die der verbotenen Kameradschaft Nationaler Widerstand Dortmund angehören soll.

Am 25. August führte die Essener NPD gemeinsam mit Anhängern des verbotenen Nationalen Widerstands Dortmund eine Kundgebung in der Essener Innenstadt durch, an der sich hauptsächlich Personen aus dem parteiunabhängigen Neonazi-Spektrum beteiligten (s. o.).

Division Altenessen

Die Division Altenessen ist zurzeit die einzige noch aktive Gruppierung aus dem Essener Kameradschaftsspektrum. Auf ihrer Internetseite gratulierte sich die Gruppe im September zu ihrem zweijährigen Bestehen und dankte ihren Anhängern „für Ehre, Treue, Zusammenhalt, Blut, Schweiss und Tränen“. Tatsächlich trat die Neonazi-Kameradschaft im Sommer 2011 erstmals öffentlich in Erscheinung. Seitdem beteiligen sich ihre Mitglieder, die sich durch eigene Transparente und T-Shirts mit aufgedrucktem Gruppenlogo zu erkennen geben, regelmäßig an rechten Aufmärschen und Kundgebungen in ganz NRW. Darüber hinaus betreibt die Gruppe eine Internetseite, die im vergangenen Jahr zwischen Februar und September in unregelmäßigen Abständen aktualisiert wurde. Mitglieder der Gruppe nahmen auch 2012 wieder an mehreren Veranstaltungen der Essener NPD teil. Am 8. Mai 2012 versuchten Anhänger der Division Altenessen eine Kundgebung verschiedener linker Organisationen in Essen-Altenessen zu stören.

 

Bekleidungsgeschäft Oseberg

Seit April 2009 existiert in der Essener Innenstadt das Bekleidungsgeschäft Oseberg. Es handelt sich dabei um eine Filiale der brandenburgischen MediaTex GmbH, die für die Produktion und den Vertrieb der rechten Modemarke Thor Steinar verantwortlich ist.

Thor Steinar

Die MediaTex GmbH und das Bekleidungslabel Thor Steinar wurden 2002/2003 von den Jungunternehmern Axel K. und Uwe M. aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen ins Leben gerufen. Mehreren Verantwortlichen der Firma konnten in der Vergangenheit Verbindungen zur rechten Szene nachgewiesen werden (9).

Große Teile der Kollektion der Marke Thor Steinar nehmen durch Schriftzüge und Symbolik Bezug auf Hooligankultur, Wehrmacht und Nationalsozialismus,  deutsche Kolonialgeschichte oder neoheidnischen Germanenkult. Die Marke erfreut sich daher unter Neonazis und rechten Hooligans großer Beliebtheit (ebd.).

Oseberg

Bei dem 2009 eröffneten Oseberg handelt es sich um eine von zurzeit insgesamt zwölf Verkaufsfilialen der MediaTex GmbH. Nach der Eröffnung kam es zu mehreren Demonstrationen und Protestaktionen gegen das Geschäft. Zudem beschädigten Unbekannte immer wieder die Schaufensterscheiben des Oseberg.

Nach wie vor sind keine Hinweise darauf bekannt, dass Verbindungen zwischen den Betreibern des Oseberg und der lokalen Neonaziszene bestehen.

 

Debatte um Flüchtlingsunterkünfte

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, deutlich angestiegen. In der Folge waren die Kommunen mit der Herausforderung konfrontiert, relativ kurzfristig neue Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu schaffen. In Essen wurde deshalb Mitte Oktober eine provisorische Erstaufnahmeeinrichtung eröffnet. Zudem legte die Stadt Pläne für drei zusätzliche kommunale Gemeinschaftsunterkünfte vor. Teile der Anwohnerschaft in den betroffenen Stadtteilen reagierten mit heftigen Unmutsbekundungen auf diese Entscheidung, die mancherorts bis hin zu offenen Gewaltandrohungen reichten.

Mitte Oktober berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, dass rund 60 Flüchtlinge für zwei Wochen in einer ausrangierten Turnhalle in Essen-Frintrop untergebracht werden sollten. Anwohner kündigten daraufhin Proteste an und sammelten über 1.000 Unterschriften gegen die provisorische Flüchtlingsunterkunft (10). Der Ortsverband der CDU berief für den 17. Oktober eine Bürgerversammlung ein, zu der sich über 100 Menschen, unter ihnen auch Mitglieder der Essener NPD, einfanden und ihrer Ablehnung der Flüchtlingsunterkunft lautstark Ausdruck verliehen. Zwei Tage später, am 19. Oktober, führte dann die NPD in Frintrop eine Kundgebung unter dem Motto „Nein zur Unterbringung von Flüchtlingen“ durch, an der sich allerdings lediglich 20 Anhänger der rechtsradikalen Partei beteiligten. Bewohner des Stadtteils konnte die NPD offenbar nicht mobilisieren.

Für den 10. November hatte eine Anwohnerinitiative in Essen-Kupferdreh zu einer Kundgebung vor dem Gebäude der ehemaligen Dilldorfschule aufgerufen, um mit Kerzen gegen die dort geplante Unterbringung von Flüchtlingen zu protestieren. Auf einer Sitzung der Bezirksvertretung hatten einzelne Anwohner im Vorfeld unverhohlene Gewaltandrohungen gegen Flüchtlinge geäußert (11). Die Kundgebung der Anwohnerinitiative, zu der etwa 30 Bürger gekommen waren,  konnte durch spontane Gegenproteste verhindert werden.

Mitte November fanden in den Essener Stadtteilen Horst, Kupferdreh und Haarzopf Bürgerversammlungen statt, auf denen Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Anwohner über die geplanten Flüchtlingsunterkünfte informierten. Auch hier kam es immer wieder zu offen rassistischen Äußerungen, doch blieben weitere öffentliche Aktivitäten gegen die Unterbringung von Flüchtlingen bislang aus.

 

Fazit und Perspektiven

Wie schon in den vergangenen Jahren ist es den rechtspopulistischen Parteien pro NRW und Die Republikaner auch 2012 nicht gelungen, nennenswerte eigenständige Aktivitäten auf lokaler Ebene zu entwickeln. Auch die medial vielbeachtete Wahlkampfkundgebung der Bürgerbewegung pro NRW vor einer Moschee in Essen-Kray kann nicht darüber hinweg täuschen, dass keine der beiden Parteien in Essen über handlungsfähige Strukturen verfügt. Anzeichen dafür, dass sich an diesem Zustand in absehbarer Zeit etwas ändern könnte, existieren nicht. Pro NRW und Republikaner scheinen insbesondere für junge Rechte gänzlich unattraktiv zu sein, doch auch in anderen Bereichen gelingt es ihnen offenbar nicht mehr, neue aktive Mitglieder anzuwerben.

Vollkommen anders stellt sich die Situation beim Essener Kreisverband der NPD dar. Die Partei verfügt in Essen über einen großen Mitgliederstamm und ein aktives Umfeld. Damit gelingt es ihr, sowohl im Vorfeld von Wahlen als auch außerhalb von Wahlkampfzeiten regelmäßig mit Infoständen und kleinen Kundgebungen im gesamten Stadtgebiet präsent zu sein. Da sich die NPD voraussichtlich sowohl an der Bundestagswahl 2013 als auch an der Kommunalwahl 2014 beteiligen wird, ist vom Essener Kreisverband auch in den kommenden Jahren ein hohes Maß an Aktivität zu erwarten. Zusätzlich gestärkt wurde die Essener NPD durch die Eröffnung der Parteizentrale in Essen-Kray, deren Räumlichkeiten auch vom Kreisverband der rechtsradikalen Partei genutzt werden. Bereits jetzt verstärkt die NPD ihre Aktivitäten im Essener Osten. Da die Immobilie, in der sich die neue Parteizentrale befindet, offenbar einer NPD-nahen Vereinigung gehört, bestehen kaum Chancen, die Partei aus ihrem neuen Domizil zu vertreiben.

Die Entwicklung der Kameradschaftsszene brachte im vergangenen Jahr wenig Überraschendes. Zwar wurde die bereits tot geglaubte Division Altenessen Anfang 2012 noch einmal reanimiert. Ihr Aktivitätsgrad verbleibt jedoch weiterhin auf niedrigem Niveau und stellt für die NPD – auch aufgrund des guten Verhältnisses zwischen den beiden Gruppierungen – keine Konkurrenz dar.

Der Themenbereich Asyl- und Zuwanderungspolitik hat in den vergangenen Monaten für das gesamte rechte Spektrum massiv an Bedeutung gewonnen. Im Windschatten der aktuellen Asylmissbrauchsdebatte versuchen die verschiedenen Gruppierungen der extremen Rechten mit ihren rassistischen und fremdenfeindlichen Positionen Zuspruch in der Bevölkerung zu erlangen. Es ist bemerkenswert, dass diese Bemühungen zumindest in Essen bislang auf ganzer Linie gescheitert sind. Zwar stieß die Eröffnung neuer Flüchtlingsunterkünfte vielerorts auf rassistisch und fremdenfeindlich begründete Ablehnung durch Teile der Anwohnerschaft. Doch ist es der NPD mit ihrer Kundgebung in Essen-Frintrop nicht gelungen, sich diese Ressentiments zunutze zu machen. In anderen Stadtteilen, in denen die rechtsradikale Partei weniger gut verankert ist, kam es gar nicht erst zu entsprechenden Agitationsversuchen. Es wird deutlich, dass trotz ideologischer Schnittmengen in weiten Teilen des bürgerlichen Spektrums nach wie vor massive Berührungsängste mit der extremen Rechten vorhanden sind. Dennoch ist eine weitere Beobachtung dieser fremdenfeindlichen Bürgerinitiativen dringend geboten, da auch sie eine potenzielle Gefahr für Flüchtlinge und Migranten darstellen und eine Radikalisierung ihrer Ideologie und Praxis nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Quellenverzeichnis

(1) http://nrwrex.wordpress.com/2012/04/12/nrw-%E2%80%9Erepublikaner-landesvorstand-abgesetzt/

(2) http://www.rep-essen.de/?ObjectID=e20a21e9-da52-45ba-837e-9cfe1a9258d7&ObjectChildID=8648c872-14c2-4512-b271-13c2b37929d1&ArticleID=a5179a95-583e-4bc3-b654-858ae991511f

(3) http://www.facebook.com/pages/Die-Republikaner-REP-Kreisverband-Essen/280812108687962

(4) http://www.essen.de/de/Rathaus/Aemter/Ordner_12/Wahlen/LW/Landtagswahl_Ergebnisse.html

http://www.wahlrecht.de/news/2012/landtagswahl-nordrhein-westfalen-2012.htm#absolut

(5) http://www.pro-nrw.net/?page_id=154#10

(6) http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationaldemokratische-partei-deutschlands-npd

(7) http://npdnrw.vs120154.hl-users.com/essen/?p=1087

(8) http://www.derwesten.de/staedte/essen/essen-will-die-npd-wieder-loswerden-hat-aber-kaum-chancen-id7097491.html

(9) http://investigatethorsteinar.blogsport.de/images/investigate_thor_steinar_2_web.pdf

(10) http://www.derwesten.de/staedte/essen/hitzige-stimmung-um-55-fluechtlinge-id7208079.html

(11) http://www.derwesten.de/staedte/essen/buerger-machen-ihrem-aerger-wegen-uebergangsheim-fuer-asylbewerber-luft-id7269951.html