Verstärkte Neonazi Aktivitäten in Essen (11/2003)

In Essen gab es in den letzten Wochen vermehrt öffentlich bekannt gewordene Vorfälle. Das ist nicht zuletzt auf den sich am 9.11.2003 zum 65.mal jährenden Tag der Reichspogromnacht zurückzuführen. Dieser Tag war von je her nicht nur Anlass den Opfern des Naziregimes zu gedenken und an die Verfolgung und systematische Vernichtung der Juden in Deutschland zu erinnern, sondern lieferte Neonazis gleichzeitig einen Grund erneut antisemitische und rassistische Taten zu begehen.

In der Nacht des 8.11. auf den 9.11.2003 war eine größere Gruppe von rechten Hooligans über BesucherInnen eines Punkkonzertes im Jugendzentrum Papestrasse in Essen Holsterhausen hergefallen. Es entwickelte sich eine Schlägerei mit bis zu 50 Personen. Die Polizei griff erst spät ein, die Konzertsecurity lies die angreifenden Jugendlichen gewähren. 7 Rettungswagen mussten eingesetzt werden um verwundete Jugendliche zu versorgen und in Krankenhäuser zu transportieren. Obwohl einige der Angreifer mit Schlagstöcken bewaffnet waren und mit Bierflaschen auf anwesende PunkerInnen
einschlugen, spielte die Polizei den Vorfall herunter. Aber allein das Aufgebot von 25 Streifenwagen und 7 Rettungswagen zeigt deutlich wie ernst zunehmen dieser bis jetzt nicht ganz geklärte Vorfall ist.

In der gleichen Nacht um 1:50 Uhr wurden Beamte wegen Ruhestörung in die Niebuhrstrasse in Essen Frohnhausen gerufen. Bereits auf der Strasse vernahmen die Beamten Musik und Gegröle mit rechtsradikalem Inhalt, sowie „Sieg Heil“ Rufe. In der Wohnung wurden nach Polizeiangaben zahlreiche Gegenstände verfassungswidriger Organisationen und Andenken aus der NS-Zeit gefunden. Die 4 Männer
waren der Polizei hinreichend bekannt.

Am 9.11.2003 veranstalteten Neonazis in Köln eine Kundgebung, um gegen die Einweihung eines Mahnmal zum Gedenken an einen antifaschistischen Widerstandskämpfer der Edelweißpiraten, zu
demonstrieren. Auch zwei Essener Neonazis nahmen an dieser Kundgebung teil.

Einen Tag später sammelten sich in Essen Huttrop mehrere Jugendliche und hörten lautstark Musik mit rechtsradikalem Inhalt. Die Polizei erwähnt in ihrer Pressemitteilung zwar das sich das ganze vor einem
Jugendzentrum in der Schulzstrasse ereignete, nicht jedoch das diese Strasse direkt am jüdischen Friedhof und der jüdischen Kapelle liegt.

In der Nacht von Donnerstag (13.11.) auf Freitag (14.11.) letzter Woche verwüsteten Unbekannte in der Röntgenstrasse in Essen-Altendorf einen türkischen Lebensmittelladen und beschmierten die Wände mit Hakenkreuzen. Der Sachschaden den die Täter anrichteten beläuft sich auf rund 50.000 Euro, geklaut wurde nichts. Obwohl die Sachlage so eindeutig scheint und man einen rechtsradikalen Hintergrund gar nicht übersehen kann, befand die Polizei lediglich, dass die Hakenkreuz-Schmierereien auf einen ausländerfeindlichen Hintergrund „hindeuten könnten“. Das wundert einmal mehr da gerade die rechte Szene in Altendorf und dem benachbarten Borbeck schon seit Jahren von sich reden macht. Die vielen rassistischen und antisemitischen Aufkleber in den Stadtteilen und auch in der Röntgenstrasse zeugen davon. Man kann im Namen des Türkischen Lebensmittelhändlers Tuncer Aslan nur hoffen, dass die
Polizei und der Essener Staatsschutz nicht weiter blind durch die Gegend laufen und somit die Aufklärung des Falles verzögern, sondern sich der durchaus bekannten Neonazis in Altendorf und Umgebung mal
annehmen, anstatt sie zu verharmlosen!

Diese Vorfälle sind sicherlich kein Anzeichen für einen plötzlichen Zuwachs rechtsextremer Gewalt in Essen, sondern nur eine datumsbedingte Häufung alltäglich gewordener Naziaktivitäten. Diese zu bekämpfen heißt auch eingestehen, dass es sie gibt, und die Verharmlosung der Polizei und Öffentlichkeit zu kritisieren und zu hinterfragen. Faschismus zu bekämpfen heißt wieder und wieder darauf hinzuweisen, dass Essen nicht nur ein Naziproblem hat, sondern das Mensch es auch bekämpfen muss!