In den letzten Wochen lud die Stadt Essen als Gastgeberin in verschiedenen Ortsteilen zu Bürgerversammlungen bezüglich der Neu- und Wiedereröffnung von Flüchtlingsunterkünften im Stadtgebiet beziehungsweise des Ausbaus von bereits existenten Einrichtungen. Abzüglich der offensichtlich relativ kurzfristig organisierten städtischen Veranstaltung in Frintrop gab es drei weitere: in den Stadtteilen Horst, Haarzopf und Kupferdreh-Dilldorf.
Der städtische Sozialdezernent Peter Renzel, der an allen drei Abenden vor unterschiedlich großen Menschenmengen sprach, gab sich dabei große Mühe, einen möglichst konfliktfreien Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern aus der jeweiligen Anwohnerschaft zu initiieren. In einem kurzen Eingangsreferat wurde die aktuelle Lage von Asylsuchenden in Essen dargestellt. Zurzeit leben im Essener Stadtgebiet über 2200 Asylantragssteller, von denen etwa 700 in Flüchtlingsunterkünften, die sich über beinahe das gesamte Essener Stadtgebiet verteilen, untergebracht sind. Der weit überwiegende Teil der über die Wintermonate 2012/2013 neu eintreffenden Menschen kommt aus Mazedonien und Serbien, wobei ihre Chance auf eine Anerkennung des Asylantrags beinahe inexistent ist. Die Stadt Essen hatte im Laufe der letzten zehn Jahre viele ehemalige Flüchtlingsunterkünfte geschlossen und muss nun finanziellen und bautechnischen Aufwand betreiben, um zumindest einige der ehemaligen Unterbringungsorte wieder bewohnbar zu machen. Die Stadt hat aus der kurzen Episode in Frintrop und der dortigen Unterbringung in einer ehemaligen Schul-Turnhalle die Konsequenz gezogen, solche Zumutungen in Zukunft zu vermeiden und daher erhebliche finanzielle Mittel in die Sanierung bereits existenter Unterkünfte investiert. Gegen derartige Pläne regte sich mancherorts ein durchaus über die Grenzen des jeweiligen Stadtteils wahrnehmbarer Widerstand innerhalb der Bürgerschaft.
Die Stimmung auf allen drei Veranstaltungen war durchweg gereizt bis angespannt, die jeweiligen Besucher fühlten sich mehrheitlich von der städtischen Politik “betrogen”. Besonderen Redebedarf hatten viele Anwohnerinnen und Anwohner vor allem über die Bevölkerungsgruppe der Roma, auch im Stadtteil Horst, obwohl dort überhaupt keine Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe untergebracht werden. Mitunter taten sich zwar – auf allen Veranstaltungen – einzelne Redner hervor, deren Wortbeiträge auf eine manifeste antiziganistische Ideologie hindeuteten, aber auch Gegenstimmen kamen zu Wort. Mit Sicherheit lässt sich konstatieren, dass der überwiegende Teil der Beiträge sich negativ auf die Asylsuchenden und ihre Unterbringung in Flüchtlingsunterkünften bezog, aber offene (und ernstzunehmende) Aufrufe zur Gewalt, wie sie etwa aus der Nachbarstadt Duisburg geschildert wurden, blieben aus. Auffällig blieb, dass die NPD, die die kurzfristige Unterbringung von Flüchtlingen in Frintrop noch mit einer Gegenkundgebung begleitet hatte, auf allen weiteren Veranstaltungen nicht mehr vertreten war.
Wir werden die weitere Entwicklung der Situation von Flüchtlingen im Essener Stadtgebiet in den nächsten Monaten im Auge behalten. Momentan scheinen die Vorzeichen allerdings nicht auf Eskalation zu stehen: Es gibt, anders als etwa in Duisburg und Dortmund, keine ausgeprägte Beschäftigung mit dem Thema durch Essener Neonazis, keine Quasi-Bürgerwehr und (noch) keine offen antiziganistische Stimmungsmache im öffentlichen Diskurs.