Die extreme Rechte in Essen – Jahresbericht 2013

Ab sofort steht unser aktueller Jahresbericht über die extreme Rechte in Essen zum Download zur Verfügung. In der diesjährigen Ausgabe informieren wir über die Aktivitäten der rechtsradikalen Parteien, über die Essener Kameradschaftsszene, die Identitäre Bewegung, die rechte Fußballfanszene, das Bekleidungsgeschäft Oseberg und die aktuelle Flüchtlings- und Zuwanderungsdebatte.

Die extreme Rechte in Essen – Aktivitäten und Entwicklungen in 2013 (PDF; 2,8 MB)

Ab Mitte Januar wird die Broschüre auch in gedruckter Form zur Verfügung stehen. Ältere Jahresberichte könnt Ihr hier herunterladen.

 

Vorwort

Das Jahr 2013 hat für die rechte Szene in Essen einige unerwartete Entwicklungen mit sich gebracht. Der rechtspopulistischen Partei PRO NRW scheint es erstmals gelungen zu sein, einen handlungsfähigen Kreisverband aufzubauen. Die Aktivitäten der NPD haben dagegen deutlich nachgelassen. Anwohnerinitiativen, die gegen die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte mobil machten, und eine in Teilen mit fremdenfeindlichen Argumenten geführte Flüchtlings- und Zuwanderungsdebatte boten rechten Parteien erneut Anknüpfungspunkte.

Das rechte Bekleidungsgeschäft Oseberg konnte seinen Mietvertrag um weitere fünf Jahre verlängern und wird seinen Standort in der Essener Innenstadt voraussichtlich bis März 2019 behalten.

Weitere Themen unseres Jahresberichts sind die Essener Kameradschaftsszene, die Identitäre Bewegung und die rechte Fanszene im Umfeld des Fußballvereins RWE.

Über Lob und konstruktive Kritik, vor allem aber über Ergänzungen und Hinweise auf weitere Akteure und Aktivitäten der rechten Szene, freuen wir uns sehr!

Antifa Essen Z

(Januar 2014)

 

Die Republikaner

Die 1983 als Rechtsabspaltung der CSU gegründeten Republikaner hatten ihre größten Wahlerfolge Ende der 1980er Jahre im Zusammenhang mit der über weite Teile von rassistischen und rechtspopulistischen Positionen geprägten Debatte um Zuwanderung und „Asylmissbrauch“. Nach der so genannten Wiedervereinigung Deutschlands trug die Partei maßgeblich dazu bei, klassische Positionen der extremen Rechten in die Mitte der deutschen Politiklandschaft zu tragen. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu punktueller Zusammenarbeit zwischen NPD und den Republikanern.

Die Republikaner verfügen in Nordrhein-Westfalen bereits seit mehreren Jahren kaum noch über handlungsfähige Strukturen. Die geplante Teilnahme an der Landtagswahl im Mai 2012 scheiterte, weil es der Partei nicht gelungen war, die für eine Kandidatur erforderlichen 1.000 Unterstützerunterschriften zu sammeln.

In Essen sind die Republikaner seit 1999 im Stadtrat vertreten. Bei der letzten Kommunalwahl im Sommer 2009 verlor die rechte Partei mehr als die Hälfte ihrer Wählerstimmen und ist seither nur noch mit einem statt wie bisher mit zwei Abgeordneten im Rat vertreten. Das Mandat wird von dem einundsechzigjährigen Günter W. wahrgenommen, der die Republikaner seit 1999 im Stadtrat vertritt. Auch in den Bezirksvertretungen verlor die Partei deutlich und konnte ihren Sitz lediglich in der Bezirksvertretung VI (Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg) halten.

Im Vorfeld der Bundestagswahl  warben in mehreren Essener Stadtteilen vereinzelte Plakate für die rechte Partei. Insgesamt entschieden sich am 22. September 692 Essener Wähler für die Republikaner, was einem Stimmenanteil von 0,2 Prozent entspricht.  Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die Partei in Essen noch 0,6 Prozent (1.869 Stimmen) erhalten (1).

Auf der Website der Essener Republikaner wurden im vergangenen Jahr mehrmals aktuelle Artikel mit lokalpolitischem Bezug eingestellt. Darin berichtete der Kreisverband unter anderem über angeblich regelmäßig stattfindende Stammtische und Flugblattverteilungen (2).

Seit Ende 2012 verfügen die Essener Republikaner über eine eigene Face-book-Seite, die auch 2013 sporadisch aktualisiert wurde. Allerdings beinhaltet die Seite fast ausschließlich Beiträge des Landes– und Bundesverbands sowie Pressemitteilungen des Essener Polizeipräsidiums.

Auf der Ratssitzung am 8. November 2013 gab Ratsherr Günter W. bekannt, dass er mittlerweile nicht mehr Mitglied der Republikaner sei. Sein Mandat wolle er jedoch bis zur Kommunalwahl im Mai 2014 weiter wahrnehmen.

Nach Auskunft des  nordrhein-westfälischen Landesverbands der Partei wollen die Republikaner im Mai 2014 auch in Essen erneut zur Kommunalwahl antreten.

 

PRO-Bewegung

Im Februar 2007 wurde von mehreren lokalen Ablegern der rechten Bürgerbewegung pro Köln die landesweite Bürgerbewegung PRO NRW gegründet. Ihren Schwerpunkt hat PRO NRW aber weiterhin in der Region um Köln.

Der Essener Kreisverband der rechten „Bürgerbewegung“ wurde im Sommer 2008 ins Leben gerufen. An der Kommunalwahl im Herbst 2009 nahm sie entgegen vorheriger Ankündigungen nicht teil. Im Vorfeld der Landtagswahlen im Mai 2010 und im Mai 2012 ließ PRO NRW im gesamten Essener Stadtgebiet Wahlwerbeplakate anbringen. Zudem hielt die rechtspopulistische Partei in den letzten Jahren mehrere kleinere Kundgebungen ab, die jedoch nicht durch Essener Parteistrukturen, sondern stets durch den Landesverband organisiert und getragen wurden. Das Außenbild des Essener Kreisverbands wurde durch interne Verwerfungen und mehrmalige Neuwahlen des Kreisvorstands bestimmt.

Konsolidierung des Kreisverbands

Ende April 2013 vermeldete die rechtspopulistische „Bürgerbewegung“ auf ihrer Website, dass der Essener Kreisverband am 23. April einen neuen Vorstand gewählt habe, den in Zukunft Tina Ö. als Vorsitzende und  Holm  T. als ihr Stellvertreter leiten sollen. Die Partei kündigte zudem an, in Essen flächendeckend zur Stadtratswahl im Mai 2014 anzutreten. Man rechne mit einem „Einzug in Fraktionsstärke“ (3).

Der Essener Kreisverband verfügt mittlerweile sowohl über eine eigenständige Website  als auch über  eine Facebook-Seite, auf denen regelmäßig  lokalpolitische Ereignisse kommentiert werden.  Zudem berichtete  die Partei dort mehrmals über Treffen des Kreisverbands, auf denen Wahlkampfaktivitäten für die Kommunalwahl im Mai vorbereitet worden seien.

Öffentliche Auftritte

Ähnlich wie in den Vorjahren fanden in Essen  auch 2013 wieder mehrere relativ kleine Kundgebungen der „Bürgerbe-wegung“ statt, die maßgeblich durch den Landesverband der rechtspopulistischen Partei organisiert und hauptsächlich von auswertigen PRO NRW-Anhängern besucht wurden.

So fand am 9. März im Rahmen einer landesweiten „Kundgebungstour gegen Asylmissbrauch“ eine Versammlung der rechtspopulistischen Partei vor einer Flüchtlingsunterkunft in Essen-Haarzopf statt. Es beteiligten sich rund 30 PRO NRW-Anhänger aus ganz Nordrhein-Westfalen.

Personell und ideologisch eng verwoben mit PRO NRW ist die Bürgerbewegung pro Deutschland. Sie führte im Rahmen einer bundesweiten Wahlkampftour am 29. August eine Kundgebung gegen eine Moschee in Essen-Altenessen durch, an der sich knapp zehn Rechtspopulisten beteiligten.

Am 5. Oktober veranstaltete PRO NRW in  Bochum, Essen und Duisburg insgesamt fünf Kundgebungen unter dem Motto  „NEIN zu Asylmissbrauch und  Armutseinwanderung“ .  In Essen fanden in diesem Rahmen Versammlungen in den Stadtteilen Frintrop und Kupferdreh-Dilldorf statt.  In beiden Stadtteilen hatten zuvor Anwohner gegen die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte protestiert. An den Kundgebungen von PRO NRW beteiligten sich jeweils rund 40 Anhänger der rechten „Bürgerbewe-gung“, wobei abermals ein Großteil der Teilnehmer mit einem von der Partei gestellten Reisebus aus verschiedenen Teilen des Landes nach Essen gebracht worden waren.

 

Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) und Junge Nationaldemokraten (JN)

Die 1964 gegründete NPD ist heute nicht nur die älteste, sondern auch die erfolgreichste neofaschistische Partei in der Bundesrepublik. Sie vertritt offen rassistische und antisemitische Positionen und bezieht sich positiv auf den historischen Nationalsozialismus. Im Dezember 2013 reichte der Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Verbot der NPD ein.

Wenngleich die NPD in Nordrhein-Westfalen auf Landesebene als bedeutungslos gelten kann, verfügt sie in einigen Städten und Regionen über funktionierende Parteistrukturen und einen aktiven Mitgliederstamm. Bei den letzten Kommunalwahlen im Oktober 2009 errang die neofaschistische Partei landesweit insgesamt 24 Mandate (5). Die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten liegen im Ruhrgebiet sowie im Raum Aachen.

In den Jahren 2000 und 2001 führte die NPD in Essen Aufmärsche mit  550 beziehungsweise 250 Teilnehmern durch, die bundesweit die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zogen. Zudem fand bis 2002 in zweijährigem Turnus der Landesparteitag der „Nationaldemokraten“ in Essen statt.

Die folgenden Jahre waren durch weitgehende Inaktivität der Essener NPD gekennzeichnet. Der überalterte Kreisverband um den damaligen Vorsitzenden Bernd K. entwickelte keine eigenständigen Aktivitäten.

Seit 2007 ist es der Essener NPD gelungen, eine große Zahl an jungen, aktionistisch ausgerichteten Neonazis an sich zu binden. Die öffentlichen Aktivitäten der Partei nahmen seither sprunghaft zu. Bei der Kommunalwahl 2009 stellte die NPD erstmals auch Kandidaten für den Essener Stadtrat auf. Mit 0,8 Prozent der Stimmen konnte sie dabei ein Mandat für sich gewinnen und wird seither im Kommunalparlament durch ihren Kreisverbandsvorsitzenden, den heute dreißigjährigen Marcel H., vertreten.  H. wurde Ende März 2013 im Amt des Kreisverbandsvorsitzenden bestätigt (6).

Der Essener Kreisverband der NPD betreibt eine regelmäßig aktualisierte Homepage sowie ein twitter-Profil und eine Facebook-Seite.

Im Herbst 2012 wurde im Essener Stadtteil Kray die neue Landeszentrale der NPD eröffnet. Auch der Essener Kreisverband der Partei nutzt die Räumlichkeiten in der Marienstraße regelmäßig. Am 24. März 2013 fand in der Parteizentrale eine „offizielle Eröffnungsfeier“ statt, an der auch der damalige NPD-Bundesvorsitzende Holger A. teilnahm.

Öffentliche Auftritte

Im Vergleich zum Jahr 2012 sind die öffentlichen Aktivitäten der NPD in Essen im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen.  Dennoch fanden auch im Jahr 2013 wieder mehrere Kundgebungen der neonazistischen Partei statt, an denen sich bis zu 50 Personen beteiligten.

Im Vorfeld der Bundestagswahl hatte die NPD eine deutschlandweite Kundgebungstour organisiert, in deren Rahmen am 19. August auch in der Essener Innenstadt eine Veranstaltung stattfand.  Bei den rund 15 Kundgebungsteilnehmern handelte es sich fast ausschließlich um Funktionäre des Bundes- und Landesverbands der rechtsradikalen Partei. Essener NPD-Anhänger waren der Veranstaltung größtenteils fern geblieben.

Am 7. September versammelten sich rund 40 NPD-Anhänger zu einer Kundgebung auf dem Frintroper Markt, die unter dem Motto „Asylantenflut stoppen. Am 22. September NPD wählen!“ stand. Anlass war die Einrichtung einer neuen Flüchtlingsunterkunft in Essen-Frintrop, gegen die Teile der Anwohnerschaft massiv protestiert hatten.

Bereits seit 2009 führt die NPD am 9. November regelmäßig Kundgebungen in Essen durch. Auch im vergangenen Jahr versammelten sich am Jahrestag der Reichspogromnacht wieder rund 50 Neonazis in Essen-Borbeck – vorgeblich, um der „Mauertoten“ in der DDR zu gedenken. Ein Verbot der Versammlung durch die Essener Polizeipräsidentin wurde am Vortag durch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen aufgehoben.

Bundestagswahl 2013

Neben diesen größeren Kundgebungen organisierte die Essener NPD im Vorfeld der Bundestagswahl noch einige Informationsstände und Flugblattverteilungen. Zudem wurde in mehreren Stadtteilen, insbesondere im Essener Nordwesten, auf Plakaten zur Wahl der rechtsradikalen Partei aufgerufen.

Am 22. September gaben insgesamt 4.324  Essener Wähler ihre Stimme der NPD, was einem Anteil von 1,4 Prozent entspricht. Im Vergleich zur vorangegangen Bundestagswahl im Herbst 2009, bei der sie 3.496 Stimmen (1,2 Prozent) erhalten hatte, konnte die Partei ihr Ergebnis damit leicht verbessern (7).

Junge Nationaldemokraten

Der Essener „Stützpunkt“ der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) hat auch 2013 kaum nennenswerte eigenständige Aktivitäten entfaltet. Die einzige Ausnahme bildete ein Fußballturnier der NPD-Jungend, das am 8. September in Essen stattfand. Darüber hinaus betreibt die Essener JN eine Facebook-Seite, die seit April 2013 wieder regelmäßig aktualisiert wird.

 

Partei „Die Rechte“

Die Partei Die Rechte wurde im Mai 2012 von ehemaligen Mitgliedern der Anfang 2011 aufgelösten Deutschen Volksunion und unter maßgeblicher Beteiligung des langjährigen Neonazi-Aktivisten Christian W. aus Hamburg gegründet. Nach eigenen Angaben verfügte die Partei im Herbst 2013 bundesweit über rund 400 Mitglieder (8).

Ein nordrhein-westfälischer Landesverband der neuen Partei wurde  im September 2012 durch Funktionäre der kurz zuvor verbotenen Neonazi-Kameradschaften Nationaler Widerstand Dortmund und Nationaler Widerstand Hamm gegründet. Der Landesverband entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Sammelbecken von vormals parteiunabhängigen Angehörigen der neonazistischen Kameradschaftsszene. Insgesamt existierten nach Angaben des Landesverbands Ende 2013 neun Kreis- und Bezirksverbände der Neonazi-Partei in NRW (9).

Ende Oktober 2012 gründeten ehemalige NPD-Mitglieder einen Mülheimer Kreisverband der Partei Die Rechte. Zum Vorsitzenden wurde der frühere Mülheimer NPD-Stadtverbandsvorsitzende  Marc R. gewählt.

Anfang August 2013 kündigte der Mülheimer Kreisverband auf seiner Facebook-Seite an,  dass mit Unterstützung durch Essener Aktivisten ein gemeinsamer Kreisverband Essen/Mülheim aufgebaut werden solle. Wenige Wochen später hieß es von Seiten der Mülheimer Neonazis, dass statt eines gemeinsamen Kreisverbands in naher Zukunft ein eigenständiger Kreisverband Essen gegründet werden solle, da der Zulauf in Essen „immens“ zunehme (10). Allerdings wurde diese Ankündigung seither nicht weiter konkretisiert. Ein eigenständiger Essener Kreisverband scheint bis heute nicht zu existieren. Öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten der Partei Die Rechte in Essen sind bisher nicht bekannt geworden.

 

Kameradschaftsszene

Im Gegensatz zur NPD und anderen rechten Parteien handelt es sich bei den so genannten Kameradschaften nicht um juristisch definierte Organisationen mit offiziellen Statuten und Mitgliedsregistern. Dennoch sind die neonazistischen Kameradschaften in aller Regel hierarchisch organisiert und werden nach außen hin von einzelnen Führungskadern vertreten. Sie bekennen sich meist offen zur nationalsozialistischen Ideologie und versuchen sich durch Auftreten, Ästhetik und Aktionsformen in die Tradition der historischen SA der NSDAP zu stellen.

Mit der Aktionsgruppe Essen existierte bis 2009 eine relativ stabile lokale Kameradschaftsstruktur, deren Aktivitäten sich durch sporadische Flugblattverteilungen, Teilnahme an neonazistischen Aufmärschen und Vernetzungsbestrebungen mit anderen rechten Gruppierungen aus der Region auszeichneten. Vorgängerorganisationen dieser Gruppe wurden bereits 2003 gegründet, sodass innerhalb der Essener Kameradschaftsstrukturen eine gewisse personelle Kontinuität bestand.

Nachdem die neonazistische Aktionsgruppe ihre Aktivitäten Mitte 2009 vollständig eingestellt hatte, gründeten sich in den letzten Jahren immer wieder sehr kurzlebige Gruppierungen wie etwa der Nationale Widerstand Borbeck oder die Nationalen Sozialisten aus Essen, die in der Regel eine große Nähe zur NPD aufwiesen und kaum eigenständige Aktivitäten entfalteten.

Mit der Division Altenessen existiert in Essen momentan nur noch eine Gruppierung aus dem Spektrum der parteiunabhängigen Kameradschaftsszene. Die Gruppe um den in Altenessen wohnenden Neonazi Alexander S. trat im Sommer 2011 erstmals öffentlich in Erscheinung. Seither beteiligen sich ihre Mitglieder immer wieder an rechten Kundgebungen und Aufmärschen in ganz NRW. Darüber hinaus betreibt die Division Altenessen eine Website, auf der sie im vergangenen Jahr unregelmäßig über lokalpolitische Ereignisse und Themen der rechten Szene berichtete.

Im Jahr 2013 fand in Essen lediglich eine einzige öffentlich wahrnehmbare Aktion statt, die der parteiunabhängigen Kameradschaftsszene zugerechnet werden kann. Nach einem Bericht des neonazistischen „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ führten am 27. Juli einige Neonazis eine Kundgebung mit Infostand in Essen-Borbeck durch. Die Initiatoren wollten damit für die Teilnahme an einem Neonazi-Aufmarsch im niedersächsischen Bad Nenndorf werben.

 

Identitäre Bewegung

Die Identitäre Bewegung ist ein loser Zusammenschluss rechtsgerichteter Gruppen und Einzelpersonen aus verschiedenen europäischen Ländern. Ihre Forderungen richten sich in erster Linie gegen Zuwanderung und die vermeintliche „Islamisierung“ Europas. Politisch lässt sich die Identitäre Bewegung an der Schnittstelle zwischen Konservatismus und Neonazismus einordnen. Während die „Identitären“ in ihrem Ursprungsland Frankreich durch professionell inszenierte und zum Teil spektakuläre Aktionen auf sich aufmerksam machten, blieb die „Bewegung“ in Deutschland in erster Linie ein Internetphänomen.

Im virtuellen Netzwerk Facebook existiert mittlerweile auch eine Essener Sektion der Identitären Bewegung. Die Gründung der Gruppe wird auf Dezember 2012 datiert. Fast alle der zahlreichen seither dort veröffentlichten Beiträge wurden von anderen Sektionen der Identitären Bewegung oder aus den Pressemitteilungen des Essener Polizeipräsidiums übernommen. Berichte über eigenständige Aktivitäten der Essener Gruppe finden sich dort nicht (11).

In verschiedenen Essener Stadtteilen wurden im vergangenen Jahr vereinzelt Aufkleber der Identitären Bewegung an Straßenlaternen und Schaufensterscheiben angebracht. Zudem  wurde ein Stromkasten im Stadtteil Frintrop großflächig mit dem Symbol der Bewegung versehen. Darüber hinaus sind im vergangenen Jahr keine Aktivitäten der „Identitären“ in Essen  bekannt geworden.

 

Rechte Fußballfanszene

Innerhalb der Fanszene des Essener Fußballvereins RWE existieren bereits seit den 1980er Jahren gewaltbereite rechte Gruppierungen. Insgesamt haben diese Strömungen jedoch seit Ende der 1990er Jahre massiv an Bedeutung verloren. Grund dafür dürften einerseits gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, andererseits entsprechende Bemühungen von Polizei und Verein gewesen sein, die der Präsenz gewaltbereiter Hooligans unter anderem mit langjährigen Stadionverboten und der Einrichtung eines sozialpädagogischen Fanprojekts begegneten. Einzelne Gruppierungen, die sich dem rechten Hooligan-Spektrum zurechnen lassen, existieren jedoch nach wie vor und stellten ihre Handlungsfähigkeit im vergangenen Jahr öffentlichkeitswirksam unter Beweis.

Am 16. Oktober 2013 sollte in den Räumlichkeiten des AWO-Fanprojekts am Stadion Essen im Stadtteil Bergeborbeck ein Dokumentarfilm über die deutsche und europäische Neonaziszene gezeigt werden. Zu der Veranstaltung hatte das AWO-Fanprojekt gemeinsam mit dem antifaschistischen Bündnis Essen stellt sich quer eingeladen. Kurz vor Beginn der geplanten Filmvorführung betraten rund 20 Hooligans aus dem Umfeld der Alten Garde Essen den Veranstaltungsraum und forderten unter konkreter Gewaltandrohung und mit Verweis auf den politischen Charakter des Films den Abbruch der Veranstaltung. Die anwesenden Organisatoren sahen keine andere Möglichkeit als den Forderungen der Hooligans nachzukommen, sodass die Filmvorführung an diesem Abend nicht stattfinden konnte. Zwar erstatteten die Veranstalter im Anschluss an diesen Vorfall Anzeige bei der Polizei, die Ermittlungen verliefen jedoch bislang ergebnislos, da sämtliche Zeugen Angaben zur Identität der Täter verweigerten. Grund dafür ist nach Einschätzungen von Szenekennern die extreme Gewaltbereitschaft der rechten Hooligans. Mitglieder der Alten Garde waren in der Vergangenheit immer wieder an gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Hooligan-Gruppen beteiligt und unterhalten Kontakte zu den neonazistischen  Gruppierungen Nordsturm Brema und Standarte Bremen.

Neben den Mitgliedern rechter Hooli-gan-Gruppen besuchen auch Anhänger der Essener NPD regelmäßig die Spiele des Viertligisten. Allerdings nutzen die parteipolitisch organisierten Neonazis dieses Forum in der Regel nicht für politische Agitation. Zwei Essener NPD-Anhänger, die beim Ordnerdienst des RWE beschäftigt waren, wurden im August 2013 von ihren Aufgaben entbunden, nachdem ihre Verstrickungen in die rechte Szene bekannt geworden waren.

 

Bekleidungsgeschäft Oseberg

Seit April 2009 existiert in der Essener Innenstadt das Bekleidungsgeschäft Oseberg. Es handelt sich dabei um eine Filiale der brandenburgischen MediaTex GmbH, die für die Produktion und den Vertrieb der rechten Modemarke Thor Steinar verantwortlich ist.

Thor Steinar

Die MediaTex GmbH und das Bekleidungslabel Thor Steinar wurden 2002/2003 von den Jungunternehmern Axel K. und Uwe M. aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen ins Leben gerufen. Mehreren Verantwortlichen der Firma konnten in der Vergangenheit Verbindungen zur rechten Szene nachgewiesen werden (12).

Große Teile der Kollektion der Marke Thor Steinar nehmen durch Schriftzüge und Symbolik Bezug auf Hooligankultur, Wehrmacht und Nationalsozialismus,  deutsche Kolonialgeschichte oder neoheidnischen Germanenkult. Die Marke erfreut sich daher unter Neonazis und rechten Hooligans großer Beliebtheit.

Oseberg

Bei dem 2009 eröffneten Oseberg handelt es sich um eine von zurzeit insgesamt zwölf Verkaufsfilialen der MediaTex GmbH. Nach der Eröffnung kam es zu mehreren Demonstrationen und Protestaktionen gegen das Geschäft. Zudem beschädigten Unbekannte immer wieder die Schaufensterscheiben des Oseberg.

Aktuelle Entwicklungen

Der zunächst auf fünf Jahre befristete Mietvertrag für die Verkaufsräume des Oseberg läuft am 31. März 2014 aus. Die Kündigungsfrist endete am 30. September 2013. Der Vermieter der Räumlichkeiten in der Viehofer Straße 20 hatte in der Vergangenheit stets beteuert, das Mietverhältnis möglichst bald beenden zu wollen. Ende August 2013 erklärte er jedoch gegenüber dem antifaschistischen Bündnis „Essen stellt sich quer“, dass der bestehende Vertrag dem Mieter die Möglichkeit biete, das Mietverhältnis einseitig um weitere fünf Jahre zu verlängern. Von dieser Option habe der Oseberg-Betreiber Gebrauch gemacht.  Eine Kündigung sei nicht möglich. Das Mietverhältnis wurde daher bis März 2019 verlängert.

 

Debatte um Flüchtlingsunterkünfte

In den vergangenen beiden Jahren ist die Zahl der Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, deutlich angestiegen. Wie viele andere Kommunen steht die Stadt Essen daher vor der Aufgabe, zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu schaffen. Bereits 2012 protestierten in den betroffenen Stadtteilen immer wieder Teile der Anwohnerschaft gegen die geplante Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte. Oftmals werden diese Proteste von rechtsradikalen Gruppierungen aufgegriffen und unterstützt. Entsprechende Vorfälle ereigneten sich auch im Jahr 2013 wieder in verschiedenen Essener Stadtteilen.

Flüchtlingsunterkunft in Essen-Frintrop

Besonders große Aufmerksamkeit erlangten die Proteste von Anwohnern und Rechtsradikalen gegen die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Frintrop.  Ende August 2013 berichteten lokale Medien über Planungen der Stadtverwaltung, dort die Räumlichkeiten einer ehemaligen Schule für die zeitweise Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. Anwohner initiierten daraufhin eine Kampagne gegen dieses Vorhaben und sammelten innerhalb weniger Tage über 1.000 Unterschriften gegen die neue Flüchtlingsunterkunft (13). Zudem wurden zahlreiche Plakate und Transparente mit teilweise offen rassistischem und fremdenfeindlichem Inhalt in der Umgebung des ehemaligen Schulgebäudes angebracht. Auch die Essener NPD reagierte am 7. September mit einer Kundgebung unter dem Motto „Asylantenflut stoppen!“ auf die Pläne der Stadtverwaltung. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 40 Neonazis aus Essen und den umliegenden Ruhrgebietsstädten. An einer Informationsveranstaltung der Stadtverwaltung am 11. September nahmen rund 200 Menschen teil. Auch hier waren Vertreter der Essener NPD anwesend, die in Diskussionsbeiträgen versuchten, die in der Anwohnerschaft bestehenden Ressentiments gegen Flüchtlinge weiter anzuheizen. Am 5. Oktober veranstaltete auch die rechtspopulistische „Bürgerbewegung“ PRO NRW eine Kundgebung in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Schule. Einzelne Anwohner solidarisierten sich mit den Forderungen der rechten Partei und bekundeten lautstark ihren Unmut über die linken Gegendemonstranten. Ende Oktober veranstalteten rund 30 Anwohner eine „Lichterkette“ vor der ehemaligen Schule, um gegen die Unterbringung von Flüchtlingen zu protestieren.

Konzept zur Flüchtlingsunterbringung

Die Debatte über angeblichen „Asylmissbrauch“ und die Unterbringung von Flüchtlingen im Essener Stadtgebiet wurde Anfang Juli 2013 durch einen Vorstoß aus der Stadtverwaltung zusätzlich angeheizt.  Der zuständige Sozialdezernent legte ein neues Konzept für die Versorgung und Unterbringung von Asylsuchenden vor, nach dem neu eintreffende Flüchtlinge bis zu sechs Monate lang in einer zentralen Aufnahmestelle untergebracht werden sollten. Zudem sollten sie die ihnen zustehenden Sozialleistungen in diesem Zeitraum nicht wie bisher als Barleistungen, sondern in Form von Gutscheinen und Sachleistungen erhalten. Die Vorlage der Stadtverwaltung scheiterte im Essener Stadtrat an der Mehrheit von SPD, Grünen, Linken und Essen steht Auf. Dennoch wurde das Konzept in den Folgemonaten von verschiedenen Parteien und Gruppierungen der extremen Rechten aufgegriffen. Die rechtspopulistische Partei PRO NRW bezeichnete die Pläne der Essener Stadtverwaltung als „vorbildlich“ und erklärte, das Konzept in ihre kommunalpolitischen Leitlinien aufnehmen zu wollen (14).

 

Fazit und Perspektiven

Das Jahr 2013 hat für die extreme Rechte in Essen einige unerwartete Entwicklungen mit sich gebracht. Der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung“ PRO NRW ist es scheinbar zum ersten Mal gelungen, eine nennenswerte Zahl an aktiven Mitgliedern zu gewinnen und einen arbeitsfähigen Kreisverband aufzubauen. Es ist daher fest damit zu rechnen, dass PRO NRW bei der Kommunalwahl im Mai 2014 in Essen antreten wird. Da die Partei bei den letzten beiden Landtagswahlen 1,6 (2010) bzw. 2,0 (2012) Prozent der in Essen abgegebenen Stimmen für sich verbuchen konnte, scheint ein Einzug in den Essener Stadtrat durchaus wahrscheinlich.

Die Essener Republikaner haben es trotz einiger ambitionierter Ankündigungen auch 2013 nicht geschafft, handlungsfähige Strukturen aufzubauen. Der Parteiaustritt ihres einzigen verbliebenen kommunalen Mandatsträgers dürfte ein weiterer schwerer Schlag für den Kreisverband gewesen sein. Dennoch erklärten die Republikaner, auch bei den kommenden Kommunalwahlen wieder antreten zu wollen. Ihr schwaches Abschneiden bei der letztjährigen Bundestagswahl (0,2 Prozent der Stimmen im Essener Stadtgebiet) verdeutlicht jedoch, dass die Erfolgsaussichten für dieses Vorhaben mehr als bescheiden sind.

Völlig unerwartet sind die Aktivitäten der Essener NPD im vergangenen Jahr massiv zurückgegangen. Während die neofaschistische Partei im Vorjahr noch sieben öffentliche Versammlungen und etwa 15 Wahlkampfstände organisiert hatte, waren es 2013 nur noch drei Kundgebungen. Auch das Ausmaß der Wahlkampfaktivitäten im Vorfeld der Bundestagswahl fiel deutlich geringer aus als erwartet. Ob diese Entwicklung mit einem Rückgang der personellen Kapazitäten, internen Querelen oder möglicherweise auch mit der angekündigten Gründung eines Essener Kreisverbands der Partei Die Rechte in Zusammenhang steht, ist zurzeit noch unklar. Eine erneute Teilnahme der NPD an der Kommunalwahl und entsprechende Wahlkampfaktivitäten sind für das Jahr 2014 aber dennoch in jedem Fall zu erwarten.

Auch die Anfang 2013 gegründete Alternative für Deutschland kündigt an, zur Kommunalwahl im Mai 2014 antreten zu wollen. Es ist davon auszugehen, dass auch hier zumindest punktuelle Überschneidungen mit der potenziellen Wählerschaft extrem rechter Parteien bestehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die zunehmende Zahl der Akteure am rechten Rand der Parteienlandschaft auf die Zusammensetzung des neuen Kommunalparlaments auswirken werden. Die Hürde für einen Einzug in den Essener Stadtrat ist mit rund 0,8 Prozent denkbar gering.

Die parteiunabhängige Kameradschaftsszene entwickelte auch 2013 kaum nennenswerte Aktivitäten. Das Mitgliederpotenzial solcher Organisationen wird in Essen nach wie vor durch die NPD und ihre Jugendorganisation JN absorbiert.

Für das kommende Jahr ist im Vorfeld der Kommunalwahl sicherlich mit einem verstärkten öffentlichen Auftreten der extrem rechten Parteien in Essen zu rechnen. Zwar geht von den meisten Akteuren der organisierten rechten Szene in Essen momentan keine konkrete Gefahr aus und auch die Wahrscheinlichkeit, dass extrem rechte Parteien künftig einen nennenswerten Einfluss auf die Essener Kommunalpolitik nehmen werden ist außerordentlich gering. Dennoch zeigt vor allem die aktuelle Flüchtlings– und Zuwanderungsdebatte deutlich, dass die Positionen und Argumente der bürgerlichen Mitte immer wieder Anknüpfungspunkte für extrem rechte Gruppierungen bieten, die diese auch zu nutzen wissen. Eine der wichtigsten Aufgaben lokaler antifaschistischer Politik wird daher auch in den kommenden Jahren darin bestehen, ideologische Schnittmengen zwischen der politischen Mitte und der extremen Rechten zu erkennen und zu benennen. Denn rassistische und fremdenfeindliche Positionen erfordern entschlossene Gegenwehr, auch wenn sie nicht von bekennenden Neonazis, sondern von bürgerlichen Demokraten artikuliert werden.

 

 Quellenverzeichnis

(1) http://www.essen.de/rathaus/aemter/ordner_12/wahlen/Ergebnisse_Wahlen.de.html

(2) rep-essen.de/content.aspx?ArticleID=a5179a95-583e-4bc3-b654-858ae991511f&ObjectId=d75c29aa-b2e4-4ecf-a19e-87e8a4cf55c4

(3) http://pro-nrw.net/essen-erfolgreicher-auftritt-von-markus-beisicht-kommunalwahlteilnahme-beschlossen/

(4) http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationaldemokratische-partei-deutschlands-npd

(5) https://nrwrex.wordpress.com/2009/08/30/nrw-kommunalwahl-kreisfreie-stadte-stand-19-47-uhr/

(6) https://de-de.facebook.com/JnStuetzpunktEssen

(7) http://www.essen.de/rathaus/aemter/ordner_12/wahlen/Ergebnisse_Wahlen.de.html

(8) http://worch.info/die-rechte/?p=1395

(9) http://www.dierechte-nrw.com/

(10) https://de-de.facebook.com/pages/Die-Rechte-Kreisverband-M%C3%BClheim-an-der-Ruhr/424643350931271

(11) https://www.facebook.com/IdentitaereBewegungEssen

(12) http://investigatethorsteinar.blogsport.de/images/investigate_thor_steinar_2_web.pdf

(13) http://www.derwesten.de/staedte/essen/buergerversammlung-in-frintrop-wirft-fragen-auf-id8435666.html

(14) http://pro-nrw.net/pro-nrw-stellt-neue-kommunalpolitische-leitlinien-zur-landtagswahl-inkl-sogenannten-renzel-konzept/