Bericht zur anti-israelischen Demonstration am 18.07.2014 in Essen

Am Freitagnachmittag versammelten sich in der Essener Innenstadt bis zu 3000 Demonstranten zu einer anti-isrealischen Kundgebung, zu der der hiesige Jugendverband der Linkspartei aufgerufen hatte. Im Vorfeld äußerten zahlreiche Gruppen und Zeitungen u. a. aufgrund des einseitigen Aufrufs der Organisatoren massive Kritik an der Veranstaltung und forderten die Linksjugend auf, die Kundgebung abzusagen. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Zusage von mehreren Tausend Teilnehmern – darunter zahlreiche Antisemiten, Islamisten und Nazis, befürchtet wurde, dass die Organisatoren ihre Veranstaltung nicht mehr unter Kontrolle haben. Nach dem gestrigen Tag ist klar: Die Linksjugend hat in jeglicher Hinsicht versagt, ihre Veranstaltung wurde zur Plattform für allerlei reaktionäre und offen antisemitische Manifestationen.

Die Ordner und Helfer der Organisatoren – nach eigenen Angaben bis zu 60 an der Zahl – waren angesichts der zuvor geäußerten Kritik sichtlich bemüht, Personen von der Veranstaltung zu verweisen, die offen antisemitische Plakate zeigten oder die aus ihrer Zugehörigkeit zu den „Jungen Nationaldemokraten“ kein Geheimnis machten. In einigen Fällen gelang das, in anderen Fällen zeigten die angesprochenen Personen jedoch kein Verständnis und konnten sich gegenüber den Ordnern durchsetzen. Kontrolle über die eigene Veranstaltung sieht anders aus. Darüber hinaus wurden Fahnen und Stirnbänder der radikal-islamischen Terrororganisation „Islamische Bewegung Usbekistan“ in der Kundgebung geduldet – zumindest waren entsprechende Symbole und Insignien die ganze Zeit über inmitten der Kundgebung gut sichtbar. Es waren ferner Plakate der „Antiimperialistischen Koordination“ zu sehen, die Israel als Apartheidsstaat geißelten und zum Boykott aufforderten. Darüber hinaus führten Teilnehmer NS-relativierende Plakate mit sich, die den Davidstern mit dem Hakenkreuz verschmolzen sowie auch solche, die Zionisten als Faschisten diffamierten und einen „Völkermord in Palästina“ anprangerten. In eine ähnliche Kerbe schlugen allerdings auch einzelne Redebeiträge der Veranstalter, sodass mitnichten behauptet werden kann, dass nur „einzelne Teilnehmer“ sich dieserart geäußerten hätten. Auch wenn seitens der Redner immer wieder versucht wurde, sich als Friedensfreunde darzustellen, die die Opfer auf beiden Seiten betrauerten, waren nach diesem obligatorischen Bekenntnis die nachfolgenden Worte meist von einseitigen Schuldzuweisungen geprägt. Einzelne Redner sahen in Israel z. B. einen kolonialen, rassistischen Apartheidsstaat, gegen den Widerstand legitim sei. Darüber hinaus waren die Sprechchöre der Veranstaltung durchweg geprägt von den Rufen „Allahu Akbar“, „Free Palestine“ und „Kindermörder Israel“ – auch „Bombardiert Israel!“ war vereinzelt zu hören. Dezidiert linke Parolen waren überhaupt nicht zu vernehmen und müssen in der Masse untergegangen sein. Mehrfach mussten die Redner ihre Zuhörer auffordern, sie zu Wort kommen zu lassen – meist vergeblich. Innerhalb der Kundgebung bildeten sich an verschiedenen Stellen mehrfach Trauben von Menschen, die ihre eigenen Reden und Sprechchöre skandierten – dass die Linksjugend jederzeit Einfluss auf den Verlauf und die öffentliche Selbstdarstellung der Kundgebung hatte, darf vor diesem Hintergrund stark bezweifelt werden.

Zu allem Überfluss kam es, wie Augenzeugen und Betroffene uns berichteten, im Laufe der Veranstaltung am Weberplatz zu wiederholten Beleidigungen, Nötigungen und Pöbeleien durch Mitglieder der „Roten Antifa“. Unter anderem wurden Genossen bespuckt und ihnen wurde mehrfach gedroht. Nur dem deeskalierenden Verhalten der Genossen und einiger umherstehenden Demonstranten ist es zu verdanken, dass es nicht erneut zu körperlichen Übergriffen durch Mitglieder dieser Gruppe gekommen ist, für die sie leider nur allzu gut bekannt ist.

Insgesamt sehen wir uns darin bestätigt, dass die Linksjugend trotz vereinzelter Bemühungen nicht Herr der Lage war und ihnen als Organisatoren die Kontrolle über die eigene Veranstaltung gänzlich entglitten war. Anders ist die Dominanz antisemitischer Sprechchöre, die dauerhafte Präsenz islamistischer Fahnen und NS-relativierender Plakate nicht zu erklären. Vermutlich ist es auch nur den vereinzelten Vorkontrollen der Polizei zu verdanken, dass die reaktionärsten Schilder und Fahnen erst gar nicht gezeigt wurden. Natürlich ändert auch das Ablegen solcher antisemitischen Schilder nichts an der Ideologie der Träger, die jedoch anschließend auf der Kundgebung der Linksjugend willkommen geheißen wurden. Mit Bedauern müssen wir feststellen, dass aber auch die Reden der Veranstalter sich nahtlos in diese reaktionäre Melange einfügten. Wie vorab befürchtet, konnte die Veranstaltung also problemlos zur Verbreitung von Antisemitismus und Antizionismus genutzt werden. Die Linksjugend zieht in einem ersten Fazit zum gestrigen Tag dennoch eine positive Bilanz. „Antisemitische, rassistische und antimuslimische Statements“[2] seien auf der Kundgebung nicht geduldet worden und diese Haltung wäre konsequent durchgesetzt worden. Diese Behauptung ist angesichts der zahlreichen einschlägigen Bilder, die diesem Bericht angehängt sind und den vielen weiteren Bildern und Videos, die sicher noch folgen werden, von dem Jugendverband wider besseren Wissens getätigt worden. Wer diese offensichtlichen Artikulationen reaktionärer Ideologie auch noch bewusst leugnet, dem kann man nicht mehr Naivität vorwerfen, sondern bewusstes politisches Kalkül. Denn offenbar ist im Kampf gegen Israel – trotz anders lautender Bekundungen – fast jeder Bündnispartner recht, zumindest duldet man aber die Sympathisanten des Terrors, will man doch zum einen nicht eingestehen, dass man keine Kontrolle über die eigene Veranstaltung hatte und zum anderen möchte man es sich mit der türkisch-arabischen Community auch nicht dauerhaft verscherzen. Unglaublich ist auch, dass Ralf Michalowsky – Landessprecher der Linkspartei NRW – in seinem Fazit zum heutigen Tag schreibt: „Wenn es nach der Beendigung unserer Kundgebung auf dem Rückweg der 3.000 Demonstranten zu Problemen kam, liegen diese vollständig in der Verantwortung der Polizei.“[3] Dass eben jene antizionistischen und antisemitischen Teilnehmer, die später die israel-solidarische Kundgebung belagerten und attackierten, vorher bei der eigenen Veranstaltung waren, wird dabei komplett ausgeblendet. Die Islamisten und Antisemiten waren auch nicht rein zufällig bei der Kundgebung der Linken, sondern mussten sich aufgrund des Aufrufs der Linksjugend geradezu willkommen und in guter Gesellschaft fühlen. Die Externalisierung des Problems mit dem Mob in den ordnungspolitischen Verantwortungsbereich der Polizei ist geradezu grotesk. Michalowsky und weitere Teile der Linken in NRW tragen als Organisatoren und Unterstützer die politische Verantwortung dafür, dass auf ihrer Kundgebung und in deren Nachgang der Mob seinen antisemitischen und antizionistischen Aggressionen freien Lauf lassen konnte.

Nachdem gegen 18 Uhr die Linksjugend die Veranstaltung vorzeitig für beendet erklärt hatte (angemeldet war bis 21 Uhr), zogen mehr als 1000 Demonstranten geschlossen über die Kettwiger Straße zum Hauptbahnhof. Hier hatten sich in der Zwischenzeit mehr als 180 Personen eingefunden, um gegen Israelfeindschaft und den Terror islamistischer Gruppierungen zu demonstrieren. Die Polizei schien mit den marschierenden Palästina-Demonstranten völlig überfordert und musste die Teilnehmer der israel-solidarischen Kundgebung zu deren eigenem Schutz einkesseln und an den Rand des Willy-Brandt-Platzes stellen. Als die Teilnehmer der Linksjugend-Kundgebung auf den Willy-Brandt-Platz eintrafen, umzingelten sie die Kundgebung. Dort suchten sie gezielt die Konfrontation mit den Teilnehmern der pro-israelischen Kundgebung, im Zuge dessen jene mit Flaschen beworfen wurden. Zwar konnte die Polizei zunächst noch einen größeren Abstand zwischen den beiden Gruppen gewährleisten, nachdem aber der gesamte Aufmarsch auf dem Platz eingetroffen war, drängten die Teilnehmer die Polizisten immer näher an die israel-solidarische Kundgebung heran. Hier gingen die antisemitischen Sprechchöre weiter und auch Fahnen islamistischer Organisationen waren deutlich zu sehen. Einzelne Teilnehmer der Kundgebung erstatteten daraufhin Anzeige wegen Volksverhetzung. Aufgrund dieser aggressiven und nur schwer zu kontrollierenden Lage wurden die Kundgebungsteilnehmer später mittels Bussen nach Mülheim gefahren, damit sie von dort aus sicher ihre Heimreise antreten konnten.

Wie die Polizei angesichts der starken und nachweisbaren Präsenz von Gruppen wie „Graue Wölfe“, „Hamas“ und „Islamische Bewegung Usbekistan“ sowie dem fotografisch dokumentierten Teilnahme-Versuch zweier JN-Aktivisten gegenüber dem Nachrichtenportal „Der Westen“ zu der Einschätzung kommt: „Es sind keine extremistischen Gruppierungen aufgefallen“[4], ist uns absolut schleierhaft. Der antizionistischen Kundgebung dann auch noch einen „friedlichen Verlauf“[5] in der Pressemitteilung zu den heutigen Ereignissen zu bescheinigen, ist wirklich ein handfester Skandal. Denn schließlich waren die Einsatzkräfte an einigen Stellen sichtlich überfordert[6] und die Polizei musste später selbst einräumen, dass ihre geplante weiträumige Trennung beider Veranstaltungen misslang und dass die früheren Teilnehmer der Linksjugend-Kundgebung immer wieder die Konfrontation suchten und Flaschen auf die Teilnehmer der israel-solidarischen Kundgebung warfen. Angesichts dessen und den nun laufenden Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und wegen Körperverletzungen von einem friedlichen Verlauf zu sprechen ist verharmlosend und, gelinge gesagt, nicht nachvollziehbar.

Kritische Aufarbeitungen und Selbstreflexionen bezüglich des gestrigen Tages sowie ernst gemeinte Distanzierungen sucht man bei den Organisatoren und parteipolitischen Unterstützern vergebens. Im Gegenteil, der Anmelder, der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat, äußert angesichts der emotionalen Betroffenheit der Teilnehmer sogar Verständnis für die antisemitischen Parolen auf seiner Kundgebung. Es wird wieder einmal deutlich, dass die Linkspartei in NRW ein deutliches Problem mit Antisemitismus in ihren eigenen Reihen hat.

1 http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/11562/2787713/pol-e-essen-straftaeter-planten-straftaten-gegen-alte-synagoge-fortschreibung
2 https://de-de.facebook.com/LinksjugendSolidRuhr/posts/934409506585132
3 https://de-de.facebook.com/LinksjugendSolidRuhr/posts/934488209910595
4 http://www.derwesten.de/staedte/essen/polizei-musste-pro-israelische-demonstranten-schuetzen-id9611319.html
5 http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/11562/2787930/pol-e-essen-friedliche-demonstrationen-in-der-essener-innenstadt
6 https://www.youtube.com/watch?v=e-0HDdTOcU0
7 https://www.facebook.com/niema.movassat/posts/10154433980965002

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Tagesspiegel
Bündnis gegen Antisemitismus Duisburg

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